Biodiversität in MünchenSie wollen in der Stadt einen Wald pflanzen – auf 5000 Quadratmetern

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Möchte einen Waldgarten am Michaelianger in Berg am Laim pflanzen: Quentin Orain.
Möchte einen Waldgarten am Michaelianger in Berg am Laim pflanzen: Quentin Orain. (Foto: Stephan Rumpf)

Eine Initiative möchte einen „urbanen Waldgarten“ anlegen, mit Obstbäumen, Beerensträuchern und Kräutern für alle. Kosten würde die Stadt das fast nichts. Doch das Baureferat sagt: zu teuer.

Von Bernd Kastner

Neu erfinden wollten sie gar nichts, sagt Quentin Orain, bloß was nachmachen, „copy paste“. Er lacht. „Wenn es Berlin hat, müssen wir das auch machen.“ In der Hauptstadt existiert ein urbaner Waldgarten, einen solchen will Orain auch in München anlegen. Es wäre der erste in Bayern. Jetzt sitzt Orain, 33, gebürtiger Franzose, auf einer Bank am Michaelianger in Berg am Laim, vor ihm liegt eine eher unscheinbare Wiese mit einigen Bäumen. Hier könnte der Waldgarten entstehen, zwischen dem Altenheim St. Michael und dem Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern. Die etwa 5000 Quadratmeter wären ideal, sagt Orain.

Unter einem Waldgarten versteht man eine öffentlich zugängliche Grünfläche in der Stadt, auf der allerlei wächst, in verschiedenen Schichten. Oben Obst- und Nussbäume, in der Mitte Beerensträucher, am Boden Kräuter, womöglich auch Gemüse. Sie sollen ein robustes, waldähnliches Pflanzensystem bilden, ihre Früchte sind für die Allgemeinheit. Die Pflege der Anlage sollen Ehrenamtliche übernehmen, sagt Orain, 50 bis 60 Aktive bräuchte es dauerhaft. Mit Mitstreitern hat er den Verein „Urbaner Waldgarten München“ gegründet, seit Kurzem ist er online: www.waldgarten-muenchen.de.

Die politische Unterstützung für das Projekt ist da. Der Bezirksausschuss Berg am Laim unterstütze es einstimmig, sagt Fabian Ewald. Für die CSU sitzt er auch im Stadtrat, seine Fraktion und die ÖDP fordern als Rathausopposition gemeinsam einen öffentlichen Garten, den die Münchner „,zum Anbeißen‘ finden werden“. Sie sprechen von „low hanging fruits“ für die Stadt, niedrig hängenden Früchten: Die Kosten des Waldgartens würden zu 80 Prozent durch Bundesmittel finanziert, den Rest wolle der Verein über Spenden beisteuern. Der Stadt würde das Projekt also so gut wie nichts kosten, bestätigt Orain. Lediglich den Förderantrag müsste ein Amt einreichen, das sei formale Voraussetzung.

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Orain rechnet mit Kosten von rund 350 000 Euro, angelehnt an die Erfahrungen in Berlin. Dort hätten Landschaftsarchitekten die Anlage geplant und sich um korrekte Ausschreibungen gekümmert. Die sei wichtig, wenn öffentliche Fördergelder fließen sollen. In Berlin-Britz, südlich des Tempelhofer Felds, ist ein Waldgarten seit 2018 am Werden. Die Uni Potsdam ist Koordinatorin, auch für zwei jüngere Projekte in Kassel.

Vier Ziele verfolgt die Münchner Initiative: Man wolle die Biodiversität fördern, mehr als 100 Pflanzenarten und zahlreiche Tierarten könnten in einem Waldgarten leben. Er würde zudem das Stadtklima in Zeiten der Klimaerwärmung verbessern. Das gemeinsame Gärtnern würde die Gemeinschaft fördern, obendrein biete sich der Waldgarten für Umweltbildung an, für Führungen und Workshops.

Nicola Holtmann, ÖDP-Stadträtin, ist angetan von der Idee für „innovative und ökologische Stadtentwicklung“. Ihr Kollege Ewald von der CSU lobt die gute Vorarbeit des Vereins und fordert die Verwaltung auf, „ihre Blockadehaltung“ aufzugeben.

Die Stellungnahme des Baureferats liest sich, als habe man dort das Konzept nicht verstanden

Quentin Orain berichtet von seiner Suche nach Unterstützung. Man habe alle Bezirksausschüsse angeschrieben, nur aus Berg am Laim sei ein Flächenvorschlag gekommen: die Wiese am Michaelianger.

Diese aber findet das für Gartenbau zuständige Baureferat nicht tauglich. Man begrüße zwar zivilgesellschaftliches Engagement für Grünflächen, teilt eine Sprecherin der SZ mit. Weil die Wiese am Michaelianger aber schon heute „intensives Naturerleben im urbanen Raum“ ermögliche, wolle man dort keinen Waldgarten haben. Man biete eine „Patenschaft“ an: So könnten Aktive die Streuobstwiese pflegen und weiterentwickeln. Das wiederum findet Orain nicht attraktiv genug, um viele Menschen zu mobilisieren.

Die Stellungnahme des von Jeanne-Marie Ehbauer (Grüne) geleiteten Referats liest sich, als habe man dort das Konzept nicht verstanden: Das Baureferat, so lautet ein maßgebliches Argument gegen den Waldgarten, habe weder Geld noch Personal dafür. Dabei wollen die Initiatoren Finanzierung und dauerhafte Pflege selbst organisieren. Das habe man dem Referat deutlich mitgeteilt, betont Orain.

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Dafür zeichnet sich im Stadtrat eine Mehrheit ab. Die Grünen wollen die ÖDP/CSU-Forderung auch unterstützen, erklärt deren Stadtrat Christian Smolka. Man stehe deshalb nicht mit auf dem Antrag, weil man die Idee gerne vorab mit dem Baureferat besprochen hätte, „leider dauert die Abstimmung länger“.

Orain sagt, man würde auch eine andere Fläche nehmen, wenn die Stadt etwas anböte, keine Frage. Die Wiese am Michaelianger sei so hervorragend geeignet, weil dort der Waldgarten schnell seine Anziehungskraft entfalten könnte. Normalerweise dauere es gut zehn Jahre, bis er voll funktioniere und lebe. Weil am Michaelianger schon Obstbäume stehen, wäre vom ersten Jahr an etwas zu ernten. Das mache die Fläche besonders attraktiv, auch für Ehrenamtliche. Er sei sicher, sagt Orain, dass genügend mitmachten, wenn der Standort einmal fix sei. Schon jetzt gebe es 30 Interessierte.

Orain lebt seit zehn Jahren in München und arbeitet als Vorstand des gemeinschaftlich organisierten Supermarkts „Foodhub“ in Giesing. Warum er das Waldgarten-Projekt anpackt? „Ich habe eine Vision, wie eine Stadt sein sollte, und versuche, diese Vision umzusetzen.“ Weniger Anonymität, mehr Gemeinschaft, weniger Orientierung am Profit, mehr Interesse der Menschen für die Natur, für die Pflanzen. Noch was? „Die essbare Stadt.“

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