Nach Corona:Wie gehen Münchner Firmen in Zukunft mit dem Thema Home-Office um?

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Bei vielen Münchner Unternehmen bleibt derzeit ein Großteil der Büros leer: In der ADAC-Zentrale (links) etwa dürfen wegen der Corona-Pandemie nur 30 bis 50 Prozent der Angestellten im Hochhaus arbeiten, bei der Hypo-Vereinsbank sind es maximal 40 Prozent und im O2-Tower sogar nur zehn Prozent. (Foto: Florian Peljak/Collage:SZ)

Viele Unternehmen in der Stadt wollen über die Corona-Krise hinaus mobiles Arbeiten etablieren. Das hat schon jetzt Auswirkungen auf die Belegung in den Bürotürmen.

Von Christian Rost, München

Videokonferenz mit der heimischen Schrankwand als Kulisse statt Meeting von Angesicht zu Angesicht am Konferenztisch. Tausende Arbeitnehmer hat die Coronapandemie in München ins Home-Office gezwungen, und es ist nicht abzusehen, wann es wieder so etwas wie einen Büroalltag geben wird. Angesichts der Vorteile des Arbeitens von zu Hause aus stellt sich die - für manche schon bange - Frage: Soll diese neu gewonnene Freiheit, sollen die besseren Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder aufgegeben werden? Soll man sich wieder im Berufsverkehr in den Stau stellen oder in überfüllte U- und S-Bahnen? Wer will überhaupt ins Büro zurück? Corona hat das Arbeitsleben vor allem für Büromenschen grundlegend verändert, wie eine wissenschaftliche Untersuchung zeigt. Die SZ wollte von Unternehmen in München wissen, was das für sie bedeutet.

Das Forschungsinstitut für Digitale Transformation, das zur Bayerischen Akademie für Wissenschaften gehört, befragte Arbeitnehmer und kam zu einem eindeutigen Ergebnis: 69 Prozent wünschen sich nach der Krise mehr Home-Office als zuvor. 55 Prozent gehen allerdings davon aus, dass die Unternehmen nach der Pandemie die Möglichkeiten für diese Form der Beschäftigung wieder einschränken. Vor allem Väter mit Kindern befürchten dies offenbar: Mit 92 Prozent Zustimmung war deren Zufriedenheit mit dem Arbeiten von zu Hause aus besonders groß. Natürlich hat Home-Office nicht nur Vorteile: Mehr Stress, längere Arbeitszeiten und ein Aufweichen der Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit können zu psychischen und physischen Belastungen führen.

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Bei O₂ arbeitet seit mittlerweile sechs Monaten der überwiegende Teil der 8600 Beschäftigten im Home-Office. Die Erfahrungen damit sind gut, wie Guido Heitmann, Sprecher des Telekommunikationsunternehmens, berichtet: "Daher haben wir beschlossen, Arbeitszeiten und Arbeitsort auch künftig weitgehend zu flexibilisieren und die digitale Zusammenarbeit möglichst überall zu unserem Standard zu machen." Inwieweit sich das letztlich auf die angemieteten Flächen im O₂-Tower am Georg-Brauchle-Ring auswirken werde, lasse sich noch nicht absehen. Momentan ist das Hochhaus nur zu zehn Prozent belegt, also mit maximal 280 Mitarbeitern. Künftig sollen mehr Mitarbeiter von externen Partnern in der Zentrale tätig sein, wie Heitmann sagt. Die beschriebenen Effekte würden aber keinen Einfluss auf die Anzahl der in München Beschäftigten haben.

Siemens hat schon vor der Krise mit mobilem Arbeiten "reichlich gute Erfahrungen gemacht und entsprechende Betriebsvereinbarungen getroffen". Etwa ein Fünftel der Mitarbeiter konnte mobil arbeiten. Seit März waren im Schnitt rund 130 000 Beschäftigte konzernweit mobil tätig, wie Siemens-Sprecher Wolfram Trost berichtet. Die Auslastung der Büroflächen habe deutlich abgenommen, denn grundsätzlich gelte während der Pandemie: "Alle, deren Arbeit das zulässt, sollen auch weiterhin von zu Hause aus arbeiten."

Bei Siemens habe das "Social distancing" gezeigt, dass ortsunabhängiges Arbeiten viele Vorteile biete und in weitaus größerem Rahmen möglich sei als angenommen. Allerdings, so Trost weiter, könne das mobile Arbeiten auf Dauer physische Kontakte nicht gänzlich ersetzen. "Der Mensch ist immer noch ein soziales Wesen." Siemens will dennoch die Flexibilität über die Pandemie hinaus "als Kernelement der neuen Normalität dauerhaft als Standard etablieren". Alle Beschäftigten sollen im Schnitt zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten können. Arbeitsort soll der sein, "der am produktivsten ist".

Bei BMW sind die Mitarbeiter seit 2013 nicht nur tageweise, sondern auch stundenweise mobil tätig, "also an einem beliebigen Ort außerhalb des Büros", so Sprecherin Martina Hatzel. Eine Betriebsvereinbarung regelt die Bedingungen. Konzernweit haben schon vor Corona mehr als 36 000 BMW-Beschäftigte diese Möglichkeit genutzt. Während des Lockdowns sei die Zahl dann auf 38 000 gestiegen, also in Relation um nur wenige mehr. Aber es wurden deutlich mehr Stunden mobil gearbeitet - im Schnitt über 60 Prozent. Zu einem Abschied von der Präsenzarbeit wird der durch Corona erzwungene Trend letztlich nicht führen. "Einen vollständigen Wechsel ins Home-Office sehen wir als nicht zielführend", sagt Hatzel. Schon vor den Sommerferien seien bereits mehr als die Hälfte der Mitarbeiter wieder zurück im Büro gewesen. BMW sieht Mobilarbeit als ein wichtiges Arbeitszeitinstrument an und will es weiterhin nutzen. Es brauche aber einen intelligenten Mix ohne pauschale Vorgaben. "Einen gesetzlichen Anspruch auf Home-Office lehnen wir ab", sagt Hatzel.

Als Unicredit das Hypo-Hochhaus am Arabellapark im Jahr 2013 sanieren ließ, wurde auch dort "Smart Working" eingeführt - mobiles Arbeiten mit weniger stationären Arbeitsplätzen als Mitarbeitern. Mit diesem technischen Vorsprung sah sich die Bank gerüstet für die Corona-Krise. In kürzester Zeit habe man reagieren und die Abläufe aus der Ferne steuern können, berichtet Sprecherin Birgit Zabel. Während des Lockdowns arbeiteten bis zu 70 Prozent der Angestellten im Home-Office, momentan ist die Münchner Zentrale zu maximal 40 Prozent belegt. Wie die Vorteile eines Mix' aus stationärem und mobilem Arbeiten künftig genutzt werden, ließ Zabel offen: Das werde geprüft.

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Abwarten - das ist auch die Strategie beim ADAC. Momentan werden 30 bis 50 Prozent der Arbeitsplätze im Hochhaus an der Hansastraße genutzt, teilt der Club mit. Technisch sind alle Mitarbeiter für das mobile Arbeiten gut ausgestattet, und der Wunsch nach einer Fortführung des Home-Office-Programms ist groß, wie es von Arbeitnehmerseite heißt. Doch was nach Corona von der Freiheit bleibt, ist offen. Dazu gibt der ADAC keine Stellungnahme ab. Gleiches gilt für einen großen Internet-Konzern: Check24. Beim Vergleichsportal will man sich generell nicht zu betriebsinternen Abläufen äußern, hieß es.

Anders bei Knorr-Bremse. Die AG bietet seit 2019 mobiles Arbeiten mit dem Ziel an, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, wie Sprecherin Alexandra Bufe berichtet. Bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit könne an beliebigen Orten geleistet werden. Die Mitarbeiter seien mit dieser Flexibilität sehr zufrieden.

© SZ vom 12.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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