Unterhaching:Wenn Retter angefeindet werden

Von einer Anwohnerin zugeparkt und beim Einsatz behindert: die Sanitäterinnen Stefanie Weiller (links) und Carina Paulus.

Von einer Anwohnerin zugeparkt und beim Einsatz behindert: die Sanitäterinnen Stefanie Weiller (links) und Carina Paulus.

  • Vor einer Woche wurden die Sanitäterinnen Carina Paulus und Stefanie Weiller in Unterhaching absichtlich zugeparkt.
  • Dass Einsatzkräfte bepöbelt und behindert werden, kommt häufig vor.
  • "Wir brauchen mehr Bewusstsein für die Wichtigkeit von Rettungseinsätzen", fordert der Sprecher des Bayerischen Roten Kreuzes.

Von Felix Haselsteiner

Carina Paulus ist sehr gefragt gewesen in den vergangenen Tagen - und sie musste viel erzählen. In Zeitungen, im Fernsehen, im Radio berichtete die 24-jährige Rettungssanitäterin aus München über einen Einsatz, bei dem sie und ihre Kollegin Stefanie Weiller vom Bayerischen Roten Kreuz in ihrer Arbeit behindert wurden. Vor einer Arztpraxis in Unterhaching hatten die Sanitäterinnen ihren Wagen geparkt, "es war leider nicht anders möglich", sagt Paulus. "Acht bis zehn Minuten" standen sie dort, es habe etwas länger gedauert, weil die Leitstelle erst einen Krankenhausplatz für den Patienten zuweisen musste.

Genug Zeit, um eine Anwohnerin in Rage zu versetzen, die kurzerhand ihr Auto so parkte, dass der Rettungswagen nicht mehr aus seiner Lücke konnte. "Wir mussten die Frau zehn Minuten lang suchen, eine Nachbarin hat uns dann geholfen, die kannte die Dame", berichtet Paulus. Ohne Entschuldigung und völlig kommentarlos sei diese dann davongefahren, allein: Allzu viel Zeit sich zu empören hatten die Sanitäterinnen nicht, sie mussten schließlich dringend einen Patienten ins Krankenhaus bringen.

Der Grund, warum Paulus auch eine Woche später noch ihre Geschichte erzählt, ist ein einfacher: Es handelt sich schlicht nicht um einen Einzelfall, sondern um ein häufig auftretendes Phänomen. "Zugeparkt zu werden war sicherlich die krasseste Situation, die ich erlebt habe", sagt sie: "Aber die Häufigkeit der Beschwerden, Behinderungen und Anfeindungen ist schon sehr groß." Parken Rettungssanitäter im Einsatz in der zweiten Reihe, auf dem Gehsteig oder dem Fahrradstreifen, sind sie im Recht, auf sie muss Rücksicht genommen werden: Es geht um die Gesundheit der Patienten, Verkehrsbehinderungen rücken da in den Hintergrund.

Doch was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist den Erfahrungen vieler Rettungssanitäter nach alles andere als normal. "Mittelfinger berühren mich gar nicht mehr", sagt Paulus, die gehörten fast schon zum Alltag. Obwohl die junge Sanitäterin erst seit einem Jahr im Dienst ist, hat sie schon genug Erfahrungen mit Anfeindungen gesammelt. "Meistens regen sich Autofahrer und Fußgänger auf, wenn wir auf der Straße oder dem Gehweg parken", sagt sie. Der Ton den Einsatzkräften gegenüber sei in vielen Fällen rau und respektlos - und störend: "Bislang ist bei mir immer alles gut gegangen, aber wenn man akute Notfälle versorgen muss, kann es sich auch mal nicht ausgehen", warnt Paulus.

Sohrab Taheri-Sohi, Sprecher des Bayerischen Roten Kreuzes, schlägt in dieselbe Kerbe. Für ihn handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem: "Was unsere Fahrer täglich erleben, ist kaum vorstellbar. Die Leute verstehen nicht, unter welchem Druck wir arbeiten müssen", sagt er. Konkrete Zahlen über Vorfälle gibt es nicht. Taheri-Sohi appelliert: "Wir brauchen mehr Bewusstsein für die Wichtigkeit von Rettungseinsätzen." Gerade in städtischen Gebieten führe der dichte, hektische Verkehr dazu, dass vor allem Autofahrer ihre Wut an Helfern im Einsatz rauslassen. Unterhaching ist bei weitem kein Einzelfall, erst Mitte Juli wollte in Nordrhein-Westfalen ein Mann einen Rettungsassistenten von der Weiterfahrt abhalten.

Carina Paulus und ihre Kollegin Stefanie Weiller wollen nun mit ihrer Geschichte Aufmerksamkeit erzeugen. Das sei wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, wie sich etwas ändern könnte, sagen die beiden Frauen. Einen Lösungsansatz liefert Paulus auch: "Wenn sich die Öffentlichkeit mehr mit unserer Arbeit beschäftigt, mehr über Rettungseinsätze liest oder Dokumentationen schaut, wird man viel besser verstehen, warum wir eben manchmal im Weg stehen müssen, um zu helfen."

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