Immobilien in München:Bezahlbare Wohnungen in Spitzenlage - wieso das möglich ist

Lesezeit: 3 Min.

Etwa 50 Wohnungen könnten an der Ecke Claude-Lorrain-Straße (westlich)/Untere Weidenstraße (südlich) gegenüber dem Schyrenbad entstehen. (Foto: Referat für Stadtplanung und Bauordnung)

Ein für Luxus-Immobilien bekanntes Unternehmen muss in einem Neubau unweit der Isar eine Quote von 40 Prozent geförderter Apartments erfüllen. Die Stadt wendet dafür ein neues Instrument des Baurechts an.

Von Sebastian Krass

Es ist ein Grundstück, bei dem man sich schon lang wundern konnte, warum es nicht mit Wohnungen bebaut ist: schönes Untergiesing, ganz nah an der Isar, gegenüber dem Schyrenbad. Doch nun sieht es aus, als würde an der Ecke Claude-Lorrain-/Untere Weidenstraße etwas vorangehen - und als würde dort dank einer neuen gesetzlichen Regelung auch bezahlbarer Wohnraum entstehen.

Der Planungsausschuss des Stadtrats hat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, das Instrument des "sektoralen Bebauungsplans" anzuwenden und den Eigentümern damit vorzuschreiben, dass 40 Prozent geförderte Wohnungen entstehen müssen. Wie viel Baurecht auf dem Grundstück besteht, ist noch nicht geklärt. Aber das Planungsreferat geht in einer "überschlägigen Einschätzung" davon aus, dass ein sechsgeschossiges Gebäude mit 4700 Quadratmetern Geschossfläche möglich sein könnte. Das entspräche etwa 50 Wohnungen.

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Aus Einträgen im Grundbuch ergibt sich, dass das Grundstück seit 1990 im Eigentum einer Familie war und zweimal vererbt wurde. Mitte dieses Jahres machten die Erben Kasse und verkauften das Areal an eine CLS 19 Grundstücks GmbH, hinter der ein Investor aus Bremen steckte. Der aber reichte es direkt weiter an die Bauwerk München 1a GmbH & Co. KG aus Gräfelfing, die seit dem 3. November als Eigentümerin firmiert. Dahinter steht das Immobilienunternehmen Bauwerk, das für hoch- bis höchstpreisigen Wohnungsbau in München bekannt ist. Aktuelle Projekte sind die Kuvertfabrik in Pasing sowie zwei Anlagen an der Gabrielenstraße (Neuhausen) und an der Infanteriestraße (Schwabing).

Eine Stadträtin nennt die sektoralen Bebauungspläne "unsere Hoffnung"

Der Stadtratsbeschluss geht zurück auf einen Antrag, den die grün-rote Rathauskoalition im Sommer mit der Oppositionsfraktion von Die Linke/Die Partei gestellt hatte. Demnach sollte die Verwaltung prüfen, ob ein sektoraler Bebauungsplan für das Grundstück in Untergiesing in Frage komme. Das Instrument steht Kommunen seit einer Novelle des Baugesetzbuches, dem "Baulandmobilisierungsgesetz", zur Verfügung. Sie können damit in - vor allem innerstädtischen - Gebieten, für die kein Bebauungsplan existiert, Vorgaben für sozialen Wohnungsbau machen. Zuvor hatte die Stadt keinen Einfluss, welche Art von Wohnraum auf solchen Arealen entsteht - was das Geschäftsmodell "Luxus-Wohnanlage", das Bauwerk und viele andere Unternehmen betreiben, blühen ließ.

Grünen-Stadträtin Anna Hanusch bezeichnet sektorale Bebauungspläne als "unsere Hoffnung" für Gebiete, "in denen wir sonst keine Handhabe haben". Das Instrument sei "mit wenig Aufwand anwendbar". Brigitte Wolf (Linke) zeigte sich ebenfalls erfreut, beantragte aber, dass die Stadt einen Anteil von 60 Prozent geförderter Wohnungen festschreibt.

Ein Wunsch, für den Simone Burger (SPD) Verständnis äußerte. "Auch wir haben in der Fraktion über 50 oder 55 Prozent gesprochen." Aber sie verwies auf das Risiko, dass Gerichte solche Werte für unzulässig erklären könnten. "In der Abwägung zwischen Rechtssicherheit und dem, was wir maximal rausholen wollen, finden wir 40 Prozent angemessen."

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Heike Kainz (CSU) erklärte, ihre Fraktion halte den sektoralen Bebauungsplan für "alles andere als ein tolles Lösungskonzept", der zusätzliche Aufwand in der Verwaltung für 50 Wohnungen sei "erheblich". Dennoch unterstütze man die Sache "in diesem Einzelfall". Lediglich Jörg Hoffmann (FDP) sprach sich gegen den Beschluss aus: "Wo führt uns das hin, wenn wir uns jedes Grundstück anschauen, das halbwegs die Bedingungen für einen sektoralen Bebauungsplan erfüllen könnte?" Von ihm kam auch die einzige Gegenstimme zum Beschluss.

Ungeklärt ist die Frage, ob und inwiefern Eigentümer entschädigt werden müssen, wenn ihr Grundstück durch die teilweise Sozialbindung an Wert verliert, da geht es in München sofort um Millionensummen. Bisher hat die Stadt zwei sektorale Bebauungspläne aufgestellt, für das Hohenzollernkarree in Schwabing und ein Grundstück an der Tegernseer Landstraße in Obergiesing. Dort hatte die Stadt jeweils schon früher Bescheide über mögliche Bebauungen ausgestellt. Daraus könnten Entschädigungsansprüche entstehen, die vor Gericht geklärt werden müssten. Das aber ist an der Claude-Lorrain-Straße nicht der Fall, hier gab es noch keine Bauvoranfragen oder Bauanträge. "Deshalb", sagte Jacqueline Charlier, stellvertretende Leiterin des Planungsreferats, "müssten wir ohne Entschädigung auskommen."

Vom Eigentümer ist in diesem Fall offenbar kein Widerstand zu erwarten. Auf eine Anfrage zu möglichen Klagen und Entschädigungsforderungen gibt Bauwerk sich jovial. Man sei auf den sektoralen Bebauungsplan "gut vorbereitet. Wir freuen uns auf den Dialog mit der Stadt München", erklärt eine Sprecherin. Da man in den vergangenen Jahren gut zusammengearbeitet habe, "gehen wir davon aus, dass wir gemeinsam schnell und zielführend in die Lage versetzt werden, den so dringend notwendigen Wohnraum zu schaffen".

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