Prozess in München:Unerwünschte Werbung kann teuer werden

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Prozess in München: Wer einen Aufkleber auf seinem Briefkasten anbringt, darf keine Werbung bekommen.

Wer einen Aufkleber auf seinem Briefkasten anbringt, darf keine Werbung bekommen.

(Foto: imago stock&people)

Der Bewohner eines Mehrfamilienhauses klagt vor dem Amtsgericht, weil er die Flyer eines Umzugsunternehmens in seinem Briefkasten nicht tolerieren will. Im Wiederholungsfall drohen der Firma nun 250 000 Euro Strafe.

Von Andreas Salch

"Bitte keine Werbung einwerfen" - eigentlich ist so ein Hinweis auf einem Briefkasten eindeutig. Trotzdem passiert es immer wieder, dass Prospekte und alle möglichen Werbeflyer dann entweder auf Briefkastenanlagen oder vor dem Hauseingang einfach abgelegt werden. So auch in einem Mehrfamilienhaus in München. Einer der Bewohner des Hauses wollte dies jedoch nicht länger hinnehmen und klagte in einem Zivilverfahren vor dem Amtsgericht München gegen ein Umzugsunternehmen.

Ein Austräger hatte zwei Flyer des Unternehmens in einen Ritz zwischen einem Briefkastenfach und der Briefkastenanlage geschoben, obwohl sich auf sämtlichen Fächern der Hinweis "Bitte keine Werbung einwerfen" befindet. Das erboste den Kläger. Das beklagte Umzugsunternehmen habe seine Werbeflyer in "rücksichtsloser Art verteilen" lassen, erklärte er vor Gericht. Und: "Wenn die Bewohner des Hauses schon keine Werbung erhalten möchten, legen sie erst recht keinen Wert auf wild abgelegte oder befestigte Reklame." Dadurch erhöhe sich sogar noch der "Lästigkeitsfaktor".

Das beklagte Umzugsunternehmen verwies darauf, dass es die angeblich "störende Art einer Verteilung von Werbematerial" nicht veranlasst und somit auch nicht zu vertreten habe. Denn die beauftragten Verteiler seien angewiesen, nur dann Werbematerial einzuwerfen, wenn sich auf einem Briefkasten kein Verbot befindet. Zudem könnte es auch sein, dass ein unbekannter Dritter die beiden Flyer in die Ritze der Briefkastenanlage gesteckt habe.

Den Richter überzeugte keines dieser Argumente. Er gab der Klage des Bewohners in vollem Umfang statt. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde dem Umzugsunternehmen ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250 000 Euro beziehungsweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.

Der Kläger habe einen Anspruch auf Unterlassung, stellte das Gericht fest. Sofern darauf hingewiesen werde, dass Werbung nicht erwünscht ist, sei "grundsätzlich" eine Besitzstörung durch das Einwerfen von Werbung anzunehmen. Außerdem stehe einem Wohnungsbesitzer das Recht zu, sich gegen "das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen". Der Einwand der Beklagten, es seien nicht ihre Austräger gewesen, die im vorliegenden Fall die Flyer verteilten, "greift nicht durch". Das Urteil des Amtsgerichts München (Az. 142 C 12408/21) ist rechtskräftig.

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