Underdox-FilmfestivalUdo Kiers stechender Maler­blick

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Udo Kier, im wahren Leben übrigens ein leidenschaftlicher Sammler zeitgenössischer Kunst, spielt in  Albert Oehlens Film „Bad Painter“ das Alter-Ego des Malers, hier zusammen mit Charlotte Taschen.
Udo Kier, im wahren Leben übrigens ein leidenschaftlicher Sammler zeitgenössischer Kunst, spielt in  Albert Oehlens Film „Bad Painter“ das Alter-Ego des Malers, hier zusammen mit Charlotte Taschen. (Foto: Albert Oehlen/ „Bad Painter“)

„Irgendwas mit Kunst“:  Auch bei der 20. Ausgabe des Münchner Underdox-Festivals dreht sich alles um spannende Grenzgänge zwischen Dokumentar- und Experimentalfilm.

Von Jürgen Moises, München

Die Malerei kann anstrengend, gar schmerzvoll sein. Und tatsächlich steckt das im Englischen ja schon im Namen. Oder leitet sich das Wort „Painting“ etwa nicht von „Pain“ ab, dem englischen Wort für „Schmerz“? Für den alternden, von Udo Kier gespielten Künstler Albert Oehlen im Film „Bad Painter“ ist das jedenfalls klar. Aber auch für die Zuschauer wird es schmerzhaft. Und das gleich bei der ersten Einstellung, in der sich ein Knethaken in eine Augenhöhle bohrt. Das gilt es durchzustehen, dann wird man mit einem herrlich absurden Künstler-Selbstporträt belohnt. Denn Albert Oehlen heißt nicht nur die Hauptfigur des Films, sondern auch sein Regisseur.

Neben spitzem Humor gibt es hier also mindestens einen doppelten Boden. Und das passt perfekt für einen „Underdox“-Eröffnungsfilm, welcher „Bad Painter“ in der Tat auch ist. Außerdem gibt das am 9. Oktober im Münchner Filmmuseum laufende Solo-Regie-Debüt des bekannten, neoexpressionistischen Malers gleich mit das diesjährige Festival-Thema vor, das „Irgendwas mit Kunst“ heißt.

Zwei weitere Schauwerte: Die Freundin des Film-Malers wird gespielt von Charlotte Taschen, einer Tochter des Taschen-Verlag-Gründers, und eine im Film auftauchende Interviewerin von der Ex-Sonic-Youth-Sängerin Kim Gordon. Ach, und einen München-Bezug gibt es auch. Denn Albert Oehlens Bruder Markus ist seit 2002 Kunstprofessor in der Stadt.

Gezeigt wird „Bad Painter“ als Deutschlandpremiere beim Underdox-Filmfestival für Dokument und Experiment, das in diesem Jahr seine 20. Ausgabe feiert. Das dafür ausgewählte Thema „Irgendwas mit Kunst“ wollen die Festivalleiter Dunja Bialas und Bernd Brehmer mit einem Augenzwinkern verstanden wissen. Und trotzdem hat der Spruch natürlich seine Wahrheit. Denn „künstlerisch“ ist auch bei dieser Geburtstagsausgabe wieder vieles, im Sinne von anspruchsvoll und experimentell, die Wahrnehmungs- und Genregrenzen herausfordernd.

Letzteres gilt etwa für „Eighty Plus“, den neuen, auf dem GoEast-Festival ausgezeichneten Film von Želimir Žilnik. Der inzwischen 83-Jährige war einer der führenden Regisseure der jugoslawischen Schwarzen Welle. „Eighty Plus“ ist eine berührende, Fiktion und Dokumentation vermischende Hommage an das Älterwerden, aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Sozialismus. Žilnik stellt den Film am 10. Oktober um 21 Uhr persönlich in München vor, wo der Regisseur in den Siebzigern übrigens lebte und Kurzfilme wie „Inventur – Metzstraße 11“ schuf.

Eine Hommage an das Älterwerden: Želimir Žilniks Film "Eighty-Plus" mit Milan-Kovacevic und Lidija-Stevanovic
Eine Hommage an das Älterwerden: Želimir Žilniks Film "Eighty-Plus" mit Milan-Kovacevic und Lidija-Stevanovic (Foto: Želimir Žilni "Eighty-Plus")

Ein weiterer Gast: Alexandre Koberidze, der am 13. Oktober seinen neuen Film „Dry Leaf“ im Werkstattkino präsentiert. Gefilmt wurde das Drei-Stunden-Werk mit einem Sony Ericsson Phone in Low-Tech-Ästhetik. Und erzählt wird die Geschichte einer verschwundenen Fotojournalistin, die Fußballfelder im ländlichen Georgien dokumentieren wollte und deren Vater sie nun sucht.

Zeitlich und vielleicht auch im „Kunstwollen“ getoppt wird „Dry Leaf“ von dem Film-Triptychon „Mondongo“ über ein gleichnamiges Künstlerkollektiv. Hinter „Mondongo I-III“ stecken die argentinischen Macher von „La Flor“, dem 14-Stunden-Werk, das 2018 die Filmwelt elektrisierte. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Jahr nennt sich „London Orbital“ und ist einer Gruppe von britischen Filmemachern gewidmet, deren gemeinsames Hobby das  „Erwandern abgelegener Randgebiete“ ist. Ebenfalls erwähnenswert: Das gemeinsam mit dem NS-Doku-Zentrum und der Sammlung Goetz veranstaltete Panel „Art & Archive“ am 12. Oktober in der Theatiner Filmkunst, wo es um den künstlerischen Umgang mit Archivmaterial geht.

Dann sind da etwa auch noch die neuen Filme von den Underdox-Veteranen James Benning, Norbert Pfaffenbichler und Radu Jude, dessen neuer, in Locarno gezeigter Film „Dracula“ als Abschlussfilm läuft. Und wem das an Filmmaterial nicht reicht: Noch bis zum 12. Oktober präsentiert die Galerie der Künstler*innen (Maximilianstr. 42) die 6. Ausgabe von „Videodox“.

Die Biennale für Videokunst aus Bayern, an deren Ende ein Förderpreis in Höhe von 1000 Euro verliehen wird und wo es in diesem Jahr erstmals auch eine Führung in Leichter Sprache gibt, existiert als Underdox-Ableger seit 2014. Gezeigt werden 15 Videos, die sich mit unterschiedlichen Themen wie Amerika, Natur, der NS-Zeit befassen. Und mit „Irgendwas mit Kunst“ haben auch sie allesamt zu tun.

20. Underdox Filmfestival, 9. bis 15. Okt., mehrere Kinos, www.underdox-festival.de

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