Nach Angaben von Polizei und Veranstaltern haben am Montagabend 18 000 bis 20 000 Münchner gegen die islamfeindliche Pegida demonstriert. Es war bereits die dritte Gegenkundgebung innerhalb weniger Wochen. Diesmal jedoch stand die Demonstration am Sendlinger Tor auch im Zeichen der Terroranschläge der vergangenen Woche in Paris. Neben "München ist bunt"-Schildern reckten einige Demonstranten deshalb Schilder mit dem Schriftzug "Je suis Charlie" in die Höhe - als Zeichen der Trauer um die Opfer der Pariser Anschläge.
Dieselben Schilder waren auch auf der Gegenseite vereinzelt zu sehen. Innerhalb der Trambahn-Wendeschleife, durch Absperrgitter und starke Polizeikräfte vom bunten München abgeschirmt, behaupteten am Ende bis zu 1500 Bagida-Anhänger, sie seien das Volk. Angesichts der Zahlenverhältnisse gingen diese Rufe aber im Gelächter der Münchner unter, die den Versammlungsort der Islamgegner dicht umringt hatten. Geplant hatten die Bagida-Initiatoren einen Zug zum Stachus, wo eine Protestkundgebung stattfinden sollte. Gegen 19.15 Uhr erreichten die Islamgegner das Ziel ihres Marsches auf einer von der Polizei für sie abgesperrten Strecke.
Bagida-Protest gleicht einem Spießrutenlauf
Doch ihr Protest gegen die angebliche Islamisierung Europas glich einem Spießrutenlauf. Die gesamte Sonnenstraße war gesäumt von Tausenden Münchnern. "Nazis raus!" und "Haut ab!"-Rufe begleiteten die Islamgegner. Sie mussten durch ein dichtes Spalier von Gegendemonstranten, die mit Musikinstrumenten und Lärmutensilien deutlich machten, was sie von den Bagida-Parolen hielten.
Demos für und gegen Pegida in München:"Bunt is gsund - Koabagida"
"Wir stehen auf gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und rechter Gewalt": Über 20 000 Münchner demonstrieren gegen den Münchner Pegida-Ableger "Bagida". Von den Befürwortern trauen sich 1500 auf die Straße, "Muegida" mobilisiert lediglich ein gutes Dutzend Anhänger. Der Abend in Bildern.
Auf einer für die Kundgebung errichteten Bühne am Sendlinger Tor hatten zuvor neben Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mehrere Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen gesprochen. Stadtrat Marian Offman (CSU) erinnerte namens der jüdischen Gemeinden Münchens, ebenso wie auch andere Redner, an die Anschläge von Paris: an die jüdischen Opfer - aber auch an den jungen muslimischen Flüchtling, der während der Geiselnahme dort mehreren Menschen das Leben gerettet habe. Das sei ein "heller Punkt".
Ein "dunkler Punkt" dagegen sei Bagida, sagte Offman: "Sie hetzen und faseln von der Islamisierung Deutschlands." Das sei Unsinn und eine Lüge. Wer heute vor der Islamisierung warne, werde morgen wieder von einer Verschwörung des Weltjudentums reden, warnte Offman. Angesichts der riesigen Menge der Bagida-Gegner, die sich rund ums Sendlinger Tor bis zur Sonnen- und Lindwurmstraße versammelt hatten, sagte der Stadtrat: "Als jüdischer Münchner bin ich stolz auf dieses Zeichen."
800 Polizisten sind im Einsatz
"Wir stehen hier, weil wir das Feld nicht denen überlassen wollen, die versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten", sagte OB Reiter mit Blick auf die Anhänger des bayerischen Pegida-Ablegers, die sich auf der anderen Straßenseite versammelt hatten. Gegen 19.15 Uhr waren die Bagida-Sympathisanten am Ende ihres Wegs. "Wir haben alles im Griff", sagte zu diesem Zeitpunkt der Einsatzleiter, Polizeivizepräsident Robert Kopp. Versuche einiger Demonstranten, die Absperrungen zu durchbrechen, scheiterten am Aufgebot von bis zu 800 Polizisten, der Protest gegen den Marsch der Islamfeinde blieb friedlich, laut und gewaltfrei, auch wenn gegen 20 Uhr die Stimmung zwischenzeitlich recht aufgeheizt war und die Polizei fünf Festnahmen vermeldete: einen Bagida-Mann und vier Gegendemonstranten.
Pegida-Demos in München:Das Nein muss laut sein
Je mehr Münchner heute Abend zum Sendlinger Tor kommen, um Flüchtlinge willkommen zu heißen, desto besser. Trotzdem sollte man das Gespräch mit der Pegida-Bewegung suchen. Das ist mühsamer, als einen Protestzug zu blockieren - aber es lohnt sich.
Es habe ein paar Rangeleien, Blockade- und Durchbruchsversuche und einzelne Angriffe auf Polizisten gegeben. SPD-Stadtrat Christian Vorländer beruhigte die aufgebrachten Bagida-Gegner: "Lasst uns das nicht kaputt machen." Brennpunkt war zwischenzeitlich ein Tramwartehäuschen, von dem herab sich Gegendemonstranten Wortgefechte mit Bagida-Leuten lieferten. Die Polizei forderte die jungen Leute über Twitter auf, wieder herunterzukommen: "Ihr gefährdet euch und andere." Drei Beamte wurden laut Polizei durch Tritte leicht verletzt. Dennoch urteilte Polizeisprecher Wolfgang Wenger am Ende, dass "99 Prozent der Demonstranten sehr phantasievoll, kreativ und friedlich" gewesen seien. Sein erstes Fazit: "Unser Ziel ist erreicht. Wir können mit dem Verlauf unserer Arbeit sehr zufrieden sein."
"Kein Kommentar an die Presse vor Ort"
Auf einem ihrer Plakate hatten die Bagida-Anhänger gefordert: "Wir wollen eine offene Diskussion." Was ihre Initiatoren darunter verstehen, hatten sie zuvor auf Facebook deutlich gemacht: "Kein Kommentar an die Presse vor Ort," wurde da den Anhängern empfohlen, "keine Interviews, bitte achtet auf eure Nebenleute." Und so konnten diese unbefragt ihre Parolen gegen die "Lügenpresse" skandieren und ihre Gesichter mit Plakaten vor Fotografen schützen. "Bitte bringt zahlreich Deutschlandfahnen mit, keine schwarz-weiß-roten", hatten die Bagida-Organisatoren ihren Anhängern im Vorfeld mit auf den Weg gegeben.
Nicht von ungefähr, waren im Lager der Islamgegner doch auch etliche bekennende Neonazis auszumachen. Um 20.30 Uhr räumten die letzten Bagida-Anhänger unter dem Jubel der Gegendemonstranten das Feld. Von der Polizei wurden die Islamfeinde über die Rolltreppe ins Stachus-Untergeschoss eskortiert. Die Gegendemonstranten, die den Stachus fest in der Hand hatten, riefen ihnen ein letztes "Schämt euch!" hinterher.