München und das EU-Parlament:Kaum Interesse an der Europawahl

Unbekannte Kandidaten, schwierige Themen und dazu noch Pfingstferien: Den Parteien fällt es schwer, die Wähler in München zu mobilisieren.

Von Jan Bielicki

In zehn Tagen wählt Europa sein Parlament, doch das Interesse der Münchner an dieser Wahl scheint nicht hoch zu sein. Alle Zahlen des städtischen Wahlamtes deuten auf eine äußerst geringe Beteiligung hin. Um rund ein Viertel weniger Bürger als zur gleichen Zeit vor der letzten Wahl vor fünf Jahren haben bis gestern Briefwahlunterlagen angefordert.

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(Foto: Collage: Vera Thiessat)

An der Zahl der Münchner, die per Brief wählen wollen, lässt sich die zu erwartende Beteiligung wenigstens in der Tendenz abschätzen. Und der Trend geht steil nach unten. Bislang hat das Wahlamt rund 71.000 Anträge auf Briefwahlunterlagen bearbeitet. Das sind deutlich weniger als die 93.000 Wahlscheine, die das Amt zehn Tage vor der Europawahl 1999 verschickt hatte. Wahlexperten im Kreisverwaltungsreferat fürchten daher, dass in zehn Tagen deutlich weniger als jene 59 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben, die das noch vor fünf Jahren getan hatten.

Damals jedoch war die Wahlbeteiligung in München noch relativ hoch, weil die Wähler gleichzeitig darüber abstimmen durften, ob Christian Ude sein Oberbürgermeisteramt gegen den CSU-Konkurrenten Aribert Wolf behalten sollte. Diesmal könnten zusätzlich Ferien und der von vielen für ein langes Wochenende genutzte Fronleichnam-Feiertag die Bereitschaft der Münchner drücken, ins Wahllokal zu gehen.

Kaum Interesse an der Europawahl

Die Pfingstferien lassen auch den Wahlkampf der Parteien weniger laut tönen als sonst üblich. "Was wir jetzt noch in die Briefkästen werfen", weiß die SPD-Wahlkampfleiterin Claudia Tausend, "wird doch zu einem Drittel gar nicht mehr angerührt." Dennoch glauben die Wahlkämpfer beider Großparteien, mit ihren Europa-Botschaften anzukommen. "Es läuft nicht schlecht", sagt SPD-Frau Tausend. "Es läuft sogar glänzend", schwärmt CSU-Spitzenkandidat Bernd Posselt, der zunächst als Wahlkampfleiter und nun schon zum dritten Mal als Kandidat bereits auf sechs Europakampagnen zurückblicken kann.

Die Osterweiterung der Europäischen Union habe das Interesse für Europa geschärft, glaubt Posselt auf 112 Wahlveranstaltungen beobachtet zu haben. Zudem gebe es erstmals bei Europawahlen "echte europäische Themen, die unter den Parteien strittig sind" - der mögliche Beitritt der Türkei zur Union etwa, der Streit darüber, wie streng der Stabilitätspakt für den Euro sein soll oder wie weit Brüsseler Zuständigkeiten reichen sollten, dazu die Frage, ob eine europäische Verfassung sich auf Gott berufen solle.

Die München-SPD setzt dagegen auf lokal-europäische Slogans: "Wasser, Wasser, Wasser", beschwört Tausend, "Hände weg von unserem guten Münchner Trinkwasser und der kommunalen Daseinsvorsorge" sei das Thema, das die Münchner interessiere und den örtlichen SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang Kreissl-Dörfler wieder in das Straßburger Parlament zurück bringe.

Auch der grüne Stadtchef Florian Roth glaubt, mit den Spitzenthemen Gentechnik, Klimaschutz und multikulturelles Europa "unsere europäisch doch sehr interessierten Wähler" an die Wahlurnen zu bekommen. Allerdings steht der Münchner Spitzenkandidat Micha Bärmann nur auf Platz 20 der grünen Bundesliste. So hat er kaum Chancen, auf einen der 99 deutschen Sitze - von insgesamt 732 - in Straßburg zu kommen. Allerdings immer noch größere als der höchst gelistete Liberale aus der Region München: Der Unterschleißheimer Tammo Winzer findet sich erst auf Platz 64 der FDP-Liste.

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