Süddeutsche Zeitung

Freizeit:Neun besondere Museen im Münchner Umland

Es müssen nicht immer die Pinakotheken sein. Um München gibt es zahlreiche kleine Museen, die mit spannenden und besonderen Ausstellungen locken. Eine Auswahl.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Geschichte der Psychiatrie

Als Kleidungsstück im medizinischen Gebrauch ist sie schon lange démodé, unter den Exponaten der Psychiatriehistorie aber immer noch ein Hingucker: die Zwangsjacke. Natürlich gibt es davon auch eine im Psychiatriemuseum Haar zu sehen. Die Dauerausstellung, die auf dem Gelände des Isar-Amper-Klinikums, im ersten Stock der ehemaligen Direktorenvilla, beheimatet ist, skizziert generell die wechselhafte Geschichte der seit 1905 dort bestehenden psychiatrischen Einrichtungen: von der "Heil- und Pflegeanstalt Eglfing" bis zum heutigen Isar-Amper-Klinikum. Das kleine, 2005 eröffnete Museum vermittelt dies mit einem rekonstruierten Wohnraum aus der Gründungszeit, einem Schlafsaal, Teilen einer Isolierzelle, Kleidungsstücken und etlichen anderen medizinischen Exponaten. Auch die Zeit während der NS-Diktatur - Stichwort "Euthanasie" - wird thematisiert. Jüngere Pläne des Bezirks Oberbayern, ein größeres "Deutsches Psychiatriemuseum" zu bauen, sind wegen der Pandemie erst mal ad acta gelegt worden. Das jetzige Museum kann jeden zweiten und vierten Sonntag zwischen 14 und 16 Uhr besichtigt werden. Führungen sind nach Anmeldung auch zu anderen Zeiten möglich per Telefon oder E-Mail. Udo Watter

Psychiatriemuseum, Isar-Amper-Klinikum Haar, Vockestraße 76, Telefon 089/45622821 (Anrufbeantworter), museum.iak-kmo@kbo.de

Blätter, Zweige, Früchte

Bücher sind der Anfang von vielem, in Ebersberg war eine ganz besondere Bibliothek der Anfang eines Museums. Im Jahr 1975 erwarb die Stadt eine sogenannte Xylothek des 1747 in Ebersberg geborenen Benediktinermönches Candid Huber. Diese Holzbibliothek beherbergt das Wissen um mehr als 100 Holz- und Baumarten in Form von Blättern, Zweigen, Samen, Früchten und sogar dort lebender Insekten. Auf der Suche nach einem angemessenen Ausstellungsort und vor dem Hintergrund der damals beginnenden Umweltbewegung - Stichwort Waldsterben - beschloss der Stadtrat den Bau eines entsprechenden Museums. Bis dieses eröffnet werden konnte, verging allerdings etwas Zeit, erst 2004 war es soweit. Seitdem ist das im Norden Ebersberg, direkt am Waldrand auf der Ludwigshöhe gelegene Museum samt Umweltstation eine überregionales Publikum anziehende Bildungsstätte geworden. Die wechselnden Ausstellungen zu verschiedensten Umwelt-Themen werden auch gerne von Familien und Schulklassen besucht. Derzeit wird das Museum zwar nach einem Brand generalsaniert, Veranstaltungen im Außenbereich finden dennoch statt, und am 1. April öffnet das Museum mit seiner neuesten Ausstellung zum Thema Jagd. Wieland Bögel

Museum Wald und Umwelt Ebersberg, Ludwigshöhe 2, geöffnet wieder ab Sa., 1. April, dann immer an Sa., So., und Feiertage, 12-17 Uhr, Telefon 08092/247983 und 8255-52, museumwaldundumwelt.de

Alles aus Kupfer

Tabakdosen und Druckplatten, Prozessionskreuze, Schmuckstücke und das Lavabo eines französischen Kardinals: Die ganze Vielfalt des buchstäblich elementaren Werkstoffs lässt sich im einzigartigen Kupfermuseum am Ammersee erfahren. Weit mehr als 1000 Exponate aller Epochen hat Siegfried Kuhnke für seinen Familienbetrieb in Fischen zusammengesucht. Der Schwerpunkt liegt auf mitteleuropäischen Gebrauchsgegenständen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert; der begeisterte Sammler und vormalige IHK-Sachverständige für unedle Metalle hat sich die Nachlässe aus einigen Küchen namhafter Herrschaftshäuser gesichert - wie etwa Sisis Breitöpfchen. Untergebracht ist die Sammlung in der Tenne eines 250 Jahren alten Gast und Gutshofs, die ganz von dem warmen Licht erfüllt ist, wie es wohl nur die vielfachen Spiegelungen des "Roten Goldes" hervorbringen können. Gerade wird die Ausstellungsfläche um weitere 200 Quadratmeter im Säulensaal des Gasthofs erweitert. Besonderes Glück haben Besucher, wenn Kuhnke Zeit findet, selbst durch das Museum zu führen: Der 89-Jährige kann viele charmante Anekdoten und Geschichten zu seinen Schätzen beisteuern. Armin Greune

Kupfermuseum Fischen, Pähl-Fischen am Ammersee, Herrschinger Straße 1, Wiedereröffnung 22. März, Mi.-Sa., 11-16 Uhr, Sondertermine unter Telefon 08808/921721, kupfermuseumfischen.de

König Otto und seine Zeit

Der König der Hellenen war zum ersten Mal in der Gemeinde, die später seinen Namen tragen sollte, da war er noch gar nicht König. Am 6. Dezember 1832 nahm Prinz Otto von Wittelsbach am Kilometerstein 12 der Straße von München nach Rosenheim Abschied von seinem Vater, König Ludwig I. von Bayern, ehe er sich auf den Weg in die damalige griechische Hauptstadt Nauplia machte, um dort den Thron zu besteigen. An der Stelle des Abschieds erinnert noch heute die Ottosäule an dieses Ereignis - und in der Ottobrunner Ortsmitte das König-Otto-Museum. Es ist ein vom ehemaligen Humangenetiker Jan Murken liebevoll gepflegtes Kleinod, das immer wieder um Artefakte, Dokumente, Kunstwerke aus der Zeit König Otto I. erweitert wird. Seit 1989 wird hier an das Wirken des Wittelsbachers, den die Griechen 1862 vom Hof jagten, erinnert und sein Leben erforscht und aufgearbeitet. Weit mehr als 200 Ausstellungsstücke beleuchten aber auch den Philhellenismus, den griechischen Freiheitskampf und die Entwicklung des Landes unter dem Bayern Otto. Museumsleiter Murken und seine Mitstreiter haben schon mehrere wissenschaftliche Schriften und Bücher über den Monarchen verfasst. Da auch immer wieder Besucher aus Griechenland die Ausstellung besichtigen, sind viele Ausstellungsstücke auch mit griechischen Texten versehen worden. Martin Mühlfenzl

König-Otto-Museum, Rathausstraße 3, Ottobrunn, Do., 15-18 Uhr, Sa., 10-13 Uhr, der Eintritt ist frei, Telefon 089/60808-0, ottobrunn.de/ottobrunn-erleben/freizeit-geniessen/koenig-otto-museum

Funde aus dem Erdreich

Wenn in der Gemeinde Aschheim ein altes Gebäude abgerissen wird, horchen Archäologen auf. Denn bei bald jeder Erdgrabung stößt man auf historische Funde. Die knapp 10 000-Einwohner-Gemeinde östlich von München kann auf eine fast 4500-jährige Siedlungsgeschichte zurückblicken, schon zu Ende der Jungsteinzeit lebten hier Menschen. Die Spuren, die sie hinterließen, reichen von Relikten keltischer Siedlungen über Gräber aus dem frühen Mittelalter bis zu den Überresten einer römischen Villa Rustica. Das wohl prominenteste Stück stellt eine Statuette der Göttin Athene dar, die 1994 gefunden wurde. Was als geschichtlich-heimatkundliche Sammlung der Gemeinde in den Achtzigern begonnen hat, wurde stetig erweitert und von der Archäologin und heutigen Museumsleiterin Anja Pütz 2015 in eine moderne Form überführt. Mit seinen 300 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist das Aschheim-Museum eine sehenswerte archäologische Sammlung, die die Geschichte der Region erlebbar macht. Irmengard Gnau

Aschheim-Museum, Münchner Straße 8 (im Kulturellen Gebäude), Aschheim, Mo., Mi., 16-19 Uhr, Di., Fr., 15-18 Uhr, Do., 10-13 Uhr, jeden ersten So., im Monat 10-12 Uhr, jeden dritten So. im Monat 14-17 Uhr, Telefon 089/90775970, www.aschheimuseum.byseum.de

Christliche Erinnerungskultur

Die Grabkreuz-Sammlung, untergebracht in einer alten Ebersberger Industriehalle, ehemals Hauptsitz der Kunstschmiede Bergmeister, ist Zeugnis einer lebenslangen Leidenschaft. Manfred Bergmeister (1927-2019), der Gründer des Museums, sammelte schon Kreuze, als er hier in einem Holzschuppen seine erste Werkstatt einrichtete. Inzwischen erzählen an die 500 Kreuze, dicht aneinandergereiht, von Leben, Tod und christlicher Erinnerungskultur. Ein überwältigendes, filigranes Sammelsurium, dessen komplexe Symbolik heutzutage kaum mehr zu entschlüsseln ist. Je älter, desto fragiler ist die geschmiedete Erinnerung. Früher war Eisen so knapp und teuer, dass der Schmied noch jeden Hufnagel hauchdünn ausschmiedete. Im Schnittpunkt der oft verflochtenen Kreuzarme - ein Eisenstab gelocht, der zweite hindurch gesteckt - findet sich während der Renaissance- und Barockzeit oft das zweitürige Seelenhäusl, ein Unterschlupf für die Seelen der Verstorbenen, die, so der Volksglaube, erst nach drei Tagen ins Jenseits übergingen. Nichts ist zufällig an den Kreuzen, alles hat seinen religiösen, kulturgeschichtlichen Sinn, jede Lilie und jede Rosette ihre Bedeutung. Sabine Reithmaier

Grabkreuzmuseum Kunstschmiede Bergmeister, August-Birkmaier-Weg 4, Ebersberg, Telefon 08092/24034, Besuch nach Vereinbarung, www.grabkreuzmuseum.de

Burgen in Bayern

Berühmt wurde die Grünwalder Burg durch Karl Valentin, der sie in seinem Lied von den "Oid'n Rittersleit" so wunderbar besingt. Doch das Haus hatte schon zuvor eine lange Geschichte. Seit 1260 im Besitz der Wittelsbacher, nutzten die bayerischen Herzöge die Burg 300 Jahre als Jagdschloss, aber auch als Zufluchtsstätte, wenn in München die Pest wütete. Herzog Albrecht IV. ließ das alte Gemäuer zwar 1486/87 um- und ausbauen, doch galt sie Ende des 16. Jahrhunderts bereits wieder als baufällig. Vermutlich diente sie daher im späten 17. Jahrhundert als Gefängnis, später bis in die 1870er-Jahre als Pulvermagazin. Heute ist die Burg ein Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung und beherbergt die Dauerausstellung "Burgen in Bayern". In deren Mittelpunkt steht natürlich die fast tausendjährige Geschichte der Burg Grünwald. Hinzu kommen weitere Burgen aus dem Isartal und aus ganz Bayern, von der frühmittelalterlichen Fliehburg bis zur romantischen Ritterburg. Seit 2017 leben und arbeiten übrigens auch Bienenvölker auf der Burg, daher gibt es im Museumsshop einen eigenen Burghonig. Sabine Reithmaier

Burg Grünwald, Zeillerstraße 3, Grünwald, Telefon 089/6413218, geöffnet: Mittwoch bis Sonntag, 10- 17 Uhr, www.archaeologie-bayern.de/de/zweigmuseen/gruenwald

Sisis Sommeresidenz

Sisi verbrachte die Sommermonate ihrer Kindheit am Westufer des Starnberger Sees. Schon allein deshalb ist es logisch, dass das kleine, aber feine Kaiserin-Elisabeth-Museum, untergebracht im historischen Bahnhof Possenhofen, ebenfalls nur im Sommer geöffnet hat. In vier Räumen präsentiert das Haus Objekte aus dem Leben der österreichischen Kaiserin. Ausgestellt werden Briefe, Karten oder Gemälde, Porträts, Puderdosen oder Gedenkmedaillen. Bilder und Plastiken zeigen Kaiserin Elisabeth und ihre Familie in verschiedenen Lebensetappen. Sisi und ihre Familie, aber auch andere Adelige benutzten für ihre An- und Abreise den Prunkwartesalon des ehemals königlichen Bahnhofs Possenhofen aus dem Jahr 1865, heute einer der vier Museumsräume. Wer Lust hat, kann per Boot weiterfahren zur Roseninsel, wo sich Sisi mit König Ludwig II. traf. Sabine Reithmaier

Kaiserin-Elisabeth-Museum, Possenhofen, Schlossberg 2, geöffnet von 1. Mai bis 22. Okt. Fr., Sa., So. und Feiertage 12-18 Uhr, Sonderführungen unter Telefon 08157/925932, www.kaiserin-elisabeth-museum-ev.de

Besondere Pfefferminze

Einen Online-Shop hat das Pfefferminzmuseum nicht. Man muss sich die Blätter der englischen Mitcham-Minze schon selbst im Museum in Eichenau abholen, wenn man ihn daheim genießen möchte. Außer man heißt Angela Merkel und war Bundeskanzlerin, dann macht Vereinsvorsitzender Hans Kugler schon mal eine Ausnahme. Der damaligen Kanzlerin hat 2021 der Tee so gut geschmeckt, dass sie persönlich nachbestellte. Im Museum an der Parkstraße wird die in Eichenau angebaute Minze als frisch gebrühter Tee jeden Sonntag zwischen 14 und 16 Uhr angeboten, wenn das Museum zu besichtigen ist. Es wird der Minzanbau auf den moorigen Feldern nach dem Ersten Weltkrieg bis in die Zeit des Wirtschaftswunders gezeigt - eine kleine Wirtschaftsgeschichte in einem Münchner Vorort. Seit Billig-Importe die vor allem in Apotheken verwendete Pfefferminze aus Eichenau vom Markt verdrängten, betreiben nur noch die Vereinsmitglieder auf einer kleinen Fläche Minzanbau. Erich C. Setzwein

Pfefferminzmuseum, Parkstraße 43, Eichenau, geöffnet So., 14- 16 Uhr, Telefon 08141/7646, www.minzmuseum.de

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