Süddeutsche Zeitung

Immobilienbericht:Der Preis der Stadtflucht

In den Umlandgemeinden ziehen die Immobilienpreise weiter kräftig an. Das liegt auch an Münchner Wohnungssuchenden, die im Home-Office mit Garten schöner und günstiger arbeiten wollen.

Von Karin Kampwerth

Wer sich in Starnberg eine Doppelhaushälfte kaufen möchte, muss dafür nicht mehr Geld als ein Jahr zuvor bezahlen. In Ebersberg hingegen ist der Preis für ein vergleichbares Objekt seit 2020 um vier Prozent gestiegen. Wird Wohnen am See also günstiger? Oder Wohnen am Waldrand teurer? Nein und ja. Denn was Starnberg betrifft, bleibt es die teuerste Kreisstadt rund um München. Das Preisgefüge für Eigentum genauso wie für Mieten hat sich auf dem Niveau der Landeshauptstadt eingependelt. Aber auch in den anderen Landkreisen wird es nicht billiger. Das ist das Ergebnis des Immobilienberichtes für das Münchner Umland, den der Immobilienverband Deutschland Süd (IVD) am Montag vorgestellt hat.

Warum in Starnberg die Preise stagnieren, liegt daran, dass selbst in einer exklusiven Gegend der Reichtum der Bewohner Grenzen hat. "Das Limit an Kaufkraft in dieser Region ist erreicht", sagt Makler Andreas Hammerl. Für ihn ist es wenig verwunderlich, wenn selbst für eine Doppelhaushälfte durchaus mal 1,8 oder 1,9 Millionen Euro aufgerufen werden. Wohnen am Rand des Ebersberger Forstes bleibt hingegen vergleichsweise günstig. Die überdurchschnittliche Teuerungsrate der Kreisstadt im Osten Münchens erklärt der Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts Stefan Kippes damit, dass das Preisniveau in den vergangenen Jahren eher günstig gewesen sei und nun schlichtweg aufhole.

Am Ende gibt es also keine guten Nachrichten, was die Entwicklung der Immobilienpreise betrifft. "Der Markt kennt keine Minuszeichen", sagt Kippes. Der Aufwärtstrend halte in allen Kreisstädten, die sich im Münchner Speckgürtel befinden, seit 2016 ungebrochen an. Im Vergleich zum Vorjahr seien die Kaufpreise neben Ebersberg vor allem in Dachau, Erding und Fürstenfeldbruck zum Teil deutlich angestiegen. Wer sich eine Eigentumswohnung zulegen möchte, muss in Dachau etwa 5080 Euro pro Quadratmeter bezahlen, in Erding sind es 5350 Euro, in Ebersberg 5210 Euro und in Fürstenfeldbruck 4790 Euro. Zum Vergleich: Wer von einer Eigentumswohnung in München träumt, muss im Schnitt 8150 Euro für den Quadratmeter auf den Tisch legen.

Für die Anmietung einer Wohnung oder eines Hauses wandert ebenfalls mehr Geld auf das Konto des Eigentümers. In München betragen die Mieten für über 90 Prozent aller Objekte inzwischen 15 Euro pro Quadratmeter und mehr. Auch in Dachau sind es im ersten Halbjahr dieses Jahres schon 43,8 Prozent der Mietobjekte, die pro Quadratmeter mindestens 15 Euro kosten. Nur in Erding und Ebersberg liegen hingegen über die Hälfte der Mieten noch bei Preisen zwischen neun und elf Euro. Aber auch hier kennt der Trend nur eine Richtung: nach oben.

Dass Wohnen außerhalb der Großstadt immer teurer wird, begründen die Marktforscher mit der neuen Lust aufs Landleben. Corona habe die Region in den Fokus gerückt. "Wir verzeichnen eine regelrechte Stadtflucht", sagt Makler Hammerl. Mit dem verstärkten Arbeiten im Home-Office wollten die Leute raus ins Grüne. Es sei deshalb wenig überraschend, dass unter den ersten drei Nachfragen zu einem Objekt immer die Erkundigung nach der Internetverbindung stehe. Wichtig seien zudem Garten oder Balkon und ein Arbeitszimmer.

Für Pendler werde durch das Home-Office die Bedeutung der Fahrstrecke vom Wohnort zum Arbeitsplatz künftig weniger bedeutend sein, sagt auch der Dachauer Makler Stanko Cvijanovic. Wie sein Erdinger Kollege Karl Kainz stellt er fest, dass es die Menschen immer weiter rauszieht. "Wer nur noch ein oder zwei Mal nach München ins Büro muss, nimmt für eine günstigere Miete eine längere Fahrstrecke eher in Kauf", sagt Cvijanovic. Im Landkreis Dachau zeige sich das an der gestiegenen Nachfrage in Markt Indersdorf oder Petershausen, in Erding gehe der Trend sogar in Richtung Mühldorf.

Für die nächsten Jahre erwarten die Marktforscher keine Entspannung bei den Preisen. "Es fehlt der Baugrund", sagt IVD-Süd-Chef Kippes. Größere Projekte wie in Fürstenfeldbruck und Erding auf dem jeweiligen Fliegerhorstgelände oder auf dem Areal der ehemaligen MD-Papierfabrik in Dachau, wo mehrere Tausend Menschen einziehen können, dauerten noch Jahre bis zur Fertigstellung. Viele Kommunen versuchten zwar gegenzusteuern. Allerdings würden meist kleinere Objekte in Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugenossenschaften realisiert. "In der gegenwärtigen Situation müssen wir dafür aber dankbar sein", sagt Kippes.

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SZ vom 13.07.2021/syn, van
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