Urteil:Das kleine Uhrmacherhäusl ist zum großen Symbol geworden

Urteil: Künftig wegschauen, weil, bringt ja eh nichts? Nein, hinschauen, intervenieren, trotzdem! Das gilt für Bürger wie Behörden.

Künftig wegschauen, weil, bringt ja eh nichts? Nein, hinschauen, intervenieren, trotzdem! Das gilt für Bürger wie Behörden.

(Foto: Catherina Hess/Catherina Hess)

Ist ein Haus erst mal leer, lässt es sich locker abreißen oder sanieren, teurer verkaufen oder vermieten. Die Geschichte des Uhrmacherhäusls ist ein Stoppsignal für jene Hauseigentümer und Investoren, die gerne mit Druck versuchen, Tatsachen zu schaffen.

Kommentar von Bernd Kastner

Das Uhrmacherhäusl in Giesing ist längst Symbol für die Rücksichtslosigkeit auf dem Münchner Immobilienmarkt. Zu dieser Größe ist das kleine Haus gewachsen, seit es nicht mehr existiert. Weg ist es, widerrechtlich abgerissen. Die Verantwortlichen wurden jetzt vom Amtsgericht verurteilt. Diese Entscheidung ist ein Stoppsignal für jene Hauseigentümer und Investoren, die gerne mit Druck versuchen, Tatsachen zu schaffen.

Gewiss, es ist nur eine sehr kleine Minderheit, die so vorgeht, aber eine, die das Gefühl vieler Münchner Mieterinnen und Mieter prägt: Im Zweifel sind die mit dem vielen Geld die Stärkeren, ziehen wir den Kürzeren. Viele in dieser Stadt können erzählen, wie es funktioniert, mal mit subtilem Druck, mal mit offenen Drohungen. Ist ein Haus erst mal leer, lässt es sich locker abreißen oder sanieren, teurer verkaufen oder vermieten. Dort ist der Mensch erst dann kein Störfaktor mehr, wenn er nach der Sanierung viel Geld zahlt.

Ein Signal also ist das Urteil: Gesetze gelten auch für Sanierer, auch sie müssen Baudenkmäler schützen und mit Menschen sorgsam umgehen. Wie nötig das Betonen einer Selbstverständlichkeit ist, deutet sich in der Thalkirchner Straße 80 an, im wohl bekanntesten Sanierungshaus der Stadt, auch denkmalgeschützt. Dort wurden alte Türen und Türstöcke herausgerissen. Die Stadt ließ den Bau stoppen, startete ein Bußgeldverfahren und will die weiteren Arbeiten aufmerksam begleiten. Das ist richtig und wichtig.

Brutalität auf dem Bau wirkt durch die Macht des Faktischen: Weg ist weg, raus ist raus. Ob sich das Uhrmacherhäusl wirklich wiederaufbauen lässt, muss sich erst zeigen. Dort versuchten vor Jahren aufmerksame Nachbarn, den Bagger zu stoppen, vergeblich. Also künftig wegschauen, weil, bringt ja eh nichts? Nein, hinschauen, intervenieren, trotzdem! Das gilt für Bürger wie Behörden. Nur wenn jene, die mit Skrupellosigkeit Geld verdienen wollen, wissen, dass es sie teuer zu stehen kommen kann, werden sie es sich anders überlegen. So gesehen ist das Uhrmacherhäusl auch ein Symbol der Wehrhaftigkeit.

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