Prozess in München:"Der Bagger war genau dort, wo er hingemusst hat"

Prozess in München: So sah das Areal des denkmalgeschützten Uhrmacherhäusls an der Oberen Grasstraße nach dem Abriss aus.

So sah das Areal des denkmalgeschützten Uhrmacherhäusls an der Oberen Grasstraße nach dem Abriss aus.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Prozess um den illegalen Abriss des Uhrmacherhäusls in Obergiesing geht zu Ende. Die Initiative sei vom Hauseigentümer ausgegangen, ist die Staatsanwältin überzeugt. Die Verteidiger sehen das ganz anders.

Von Lea Kramer

Es ist ein Donnerstag, als Martin P. (Name geändert) in sein Büro in der Obergiesinger Feldmüller-Siedlung geht. Und an der Oberen Grasstraße sieht, wie ein Bagger vorgefahren wird. Es ist das Gefährt, mit dem ein paar Stunden später ein Loch in die Fassade des Uhrmacherhäusls gehämmert werden sollte. Die Maschine, der sich der Nachbar spontan entgegenstellt, weil er Schlimmeres verhindern will. Er ruft die Polizei. Einen Tag später wird das denkmalgeschützte Kleinhaus dennoch nur mehr in aufgespaltenen Balken und Ziegelbrocken auf der Erde liegen. Wer für den illegalen Abriss des Baudenkmals vor fünf Jahren zur Rechenschaft zu ziehen ist, wird gerade vor dem Amtsgericht in München verhandelt.

Am wohl vorletzten Prozesstag versetzt der Auftritt des Zeugen noch einmal alle Anwesenden in Saal B 275 des Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße zurück in die schicksalhaften Tage Ende August 2017. Lautes Motorengeräusch erfüllt den Gerichtssaal. Es kommt aus dem Handy des Nachbarn P., der seine Kamera am 31. August 2017 hat mitlaufen lassen, während er sich dem Abrissbagger entgegenstellte. "Ich war verunsichert, ob ich das Richtige mache", sagt er, "während ich auf die Polizei gewartet habe, wurde ich mit der Schaufel bedroht". Er habe aber gewusst, dass das Haus ein Einzeldenkmal gewesen sei und daher nicht habe abgerissen werden dürfen. Der selbst als Bauunternehmer tätige Zeuge gibt an, zwei denkmalgeschützte Häuser in der Gegend zu besitzen und diese renoviert zu haben, auch am Uhrmacherhäusl habe er Interesse gehabt. "850 000 Euro hätte es kosten sollen", sagt er. Ein Preis, den er und seine Frau nicht zu zahlen bereit gewesen seien.

All das sei kein Zufall gewesen, sagt die Staatsanwältin

Einen Käufer gefunden hat das Gebäude: 622 500 Euro soll Andreas S. dafür bezahlt haben, wie aus einem im Prozess verlesenen Kaufvertrag hervorgeht. Gekauft hat der Installateur und Steuerfachangestellte das Häusl im Mai 2016 - etwas mehr als ein Jahr, bevor der zerstörerische Bagger in Obergiesing anrückte. S. soll zunächst den Mietern Strom und Wasser abgedreht sowie Geld angeboten haben, sodass diese schneller ausziehen. Anschließend habe S. einen Abrissauftrag für das Häuschen an eine Baufirma erteilt, obwohl es nur eine Sanierungs- aber keine Abrissgenehmigung gab. All das sei geplant und eben kein Zufall oder eine Verwechslung gewesen, wie die Angeklagten versucht hatten, vor Gericht glaubhaft zu machen. Das sieht die Staatsanwältin auch am Ende des Prozesses noch so. In ihrem Abschlussplädoyer führt sie aus: "Der Bagger war genau dort, wo er hingemusst hat, nämlich an der Oberen Grasstraße."

Hauseigentümer Andreas S. und der Inhaber der Abrissfirma, Cüneyt C., müssen sich wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung beziehungsweise wegen Nötigung und Beihilfe vor dem Münchner Amtsgericht verantworten. Nach Abschluss der Hauptverhandlung habe sie "keinerlei Zweifel, dass die den Angeklagten zur Last gelegten Tatbestände ihre Richtigkeit haben", so die Staatsanwältin. Den Eigentümer Andreas S. sieht die Staatsanwaltschaft als Hauptakteur und Auftraggeber für den Abriss - "die Initiative ging von ihm aus". Der Chef der Baufirma habe Beihilfe geleistet, trotz einer nachgewiesenen Erkrankung "sehe ich keine verminderte Schuldfähigkeit", so die Staatsanwältin. Andreas S. solle daher zu 260 Tagessätzen à 530 Euro verurteilt werden. Für Cüneyt C. schlägt sie 120 Tagessätze à 40 Euro vor.

Die Verteidiger kritisieren eine "Vorverurteilung" und fordern Freispruch

Die Verteidigung wirft den Ermittlern "Ungereimtheiten" in der Beweisaufnahme und der Zeugenbefragung sowie der Staatsanwaltschaft "Lücken" in ihrer Beweis- und Aktenführung vor. Sie sieht daher die beiden Angeklagten "von Beginn an einer Vorverurteilung" ausgesetzt. "All die Geschehnisse rund um das Uhrmacherhäusl können Stirnrunzeln zurücklassen. Allein dies kann und darf keine Verurteilung tragen", so einer von Andreas S.'s Anwälten. Es gebe begründete Zweifel an der Schuld der Angeklagten. Die Verteidiger fordern daher den Freispruch ihrer Mandanten. Das Urteil steht noch aus.

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