Zwölf Meter unter der Erde zwischen den Haltestellen Am Harras und Partnachplatz rollt ein ungewohntes Gefährt durch die U-Bahn-Röhre. Wo sonst die Züge von Münchens ältester und längster Linie durch den Tunnel der U6 brausen, zuckelt an diesem Nachmittag ein Bagger über die Schienen. Im nächsten Moment kommt das Fahrzeug zum Stehen, gräbt seine Schaufel in den Boden und lupft Schotter aus dem Gleisbett.
„Dieser Zweiwegebagger ist der Dreh- und Angelpunkt unserer Baumaßnahme“, ruft Frederick Wirth, Projektleiter bei der Münchner Verkehrsgesellschaft, gegen den Lärm des Gefährts an. Seine MVG hat heute zu einem Blick hinter die Kulissen geladen – oder genauer: zu einem Blick in den U-Bahn-Tunnel. Denn dort läuft aktuell jene XXL-Baumaßnahme, deretwegen die Linie U6 zwischen Implerstraße und Klinikum Großhadern noch bis Ende Mai gesperrt ist. Und das wiederum sorgt bei vielen Fahrgästen für Verdruss – so wie stets, sobald irgendwo das ungeliebte Kürzel SEV auftaucht, also Schienenersatzverkehr.
Doch diese Baumaßnahme sei unumgänglich, betont Jan Ebering, der beim MVG-Mutterkonzern, den Stadtwerken München, den Bereich Verkehrsinfrastruktur verantwortet. Denn gut 50 Jahre nach der Inbetriebnahme gehe es um die Grunderneuerung des U-Bahn-Netzes. Ganz konkret sind es in diesem Fall sieben Weichen, die im südlichen Abschnitt der Linien U3 und U6 erneuert werden müssen.
Eine davon an der Implerstraße wurde bereits in der ersten Bauphase von Mitte Februar bis 9. März ausgetauscht. Dies ging mit Behinderungen auf der U6 und U3 einher, wobei Letztere inzwischen wieder normal fährt. Die U6 dagegen bleibt zwischen Implerstraße und Klinikum Großhadern zwölf Wochen lang gesperrt, weil dort im U-Bahn-Tunnel sechs Weichen erneuert werden. Was vor allem bedeutet: Der Schotter im Gleisbett – pro Weiche sind das 100 Tonnen – muss entfernt und durch neue Steine ersetzt werden.

„Schienen können wir auch in der Nacht wechseln, aber bei einer Weichenerneuerung ist eine Sperrung unvermeidbar“, sagt Jan Ebering. Und um diesen Einschnitt für die Fahrgäste optimal auszunutzen, hat die MVG ein ganzes Bündel mit circa 50 Baumaßnahmen geschnürt. So wird etwa auf 15 Kilometern Länge eine neue Stromschiene verlegt – nicht mehr aus Stahl, sondern aus Aluminium, um sie leistungsfähiger zu machen, so Ebering. Im Weiteren werden Rolltreppen ausgetauscht, Sitzmöbel und Vitrinen erneuert, der Brandschutz ertüchtigt und die Barrierefreiheit verbessert – unter anderem mit einer Beschriftung der Handläufe in Brailleschrift.
Für die Fahrgäste am augenfälligsten sind derweil die neuen Hintergleisfassaden an den Bahnhöfen Poccistraße, Implerstraße und Harras. In Letzterem werden die bisherigen beigen Platten durch ein schlichtes, einheitliches Weiß ersetzt – ein Schritt, der „erklärungsbedürftig“ sei, wie Jan Ebering einräumt. Doch die neue Fassade sei nun mal „gut inspizierbar“. Bedeutet: Wenn – wie alle acht Jahre – die Fassade kontrolliert werden muss, dann gehe dies ohne Streckensperrung, so Ebering. Wobei er zugibt: „Am Marienplatz würden wir das sicher nicht so machen. Da ist das optische Bild deutlich wichtiger.“


Insgesamt jedenfalls gibt sich Ebering zufrieden mit dem bisherigen Ablauf auf der Großbaustelle, wo rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche gearbeitet wird. „Wir sind sehr gut im Zeitplan“, betont er. So geht die MVG nach derzeitigem Stand davon aus, dass die Züge der U6 wie geplant ab 31. Mai wieder durch den Tunnel rollen. Und auch beim Schienenersatzverkehr, wo es zu Beginn der ersten Bauphase noch „ziemlich geruckelt hat“, wie Ebering offen zugibt, habe sich die Situation inzwischen beruhigt. „Es erreichen uns kaum mehr Beschwerden.“
Dies sind auch insofern gute Nachrichten für die MVG, als die laufenden Bauarbeiten ein Pilotprojekt sind und als Vorbild für künftige Maßnahmen dienen sollen. Schließlich stehen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weitere Grunderneuerungen im U-Bahn-Netz an, die dann auch mit Streckensperrungen einhergehen werden. Aktuell befindet sich die MVG laut Ebering in Gesprächen mit den Verantwortlichen des Olympiaparks und der Allianz Arena, um weitere Baumaßnahmen auf den Linien U6 und U3 auf die sportlichen und kulturellen Veranstaltungen dort abzustimmen. Dabei zeichne sich ab, dass die nächste große Sanierung nicht vor 2028 stattfinden werde, sagt Jan Ebering.
Und doch steht eine weitere Baumaßnahme auf der Linie U6 bereits in den Startlöchern: Am 9. Juni läuft am Bahnhof Fröttmaning der zweite Abschnitt der Weichenerneuerung an, die bereits im Vorjahr begonnen wurde. Wie damals werden hierzu zwei Gleise gesperrt, weshalb zwischen Garching-Forschungszentrum und Kieferngarten ein Pendelzug verkehrt. Die Bauarbeiten werden voraussichtlich bis zum 27. Juli andauern.