Landgericht München I:Mutmaßlicher Vergewaltiger schweigt zum Prozessauftakt

Lesezeit: 2 Min.

Der wegen Vergewaltigung eines jungen Mannes Angeklagte (rechts) wird zum Prozessauftakt von einer Justizbeamtin (M) in den Gerichtssaal gebracht, in dem seine Rechtsanwältin Rita Drar (links) wartet. (Foto: Lennart Preiss/dpa)

Der heute 21-Jährige soll im vergangenen Sommer in einer U-Bahn-Station einen Touristen aus Polen vergewaltigt haben. Die polnische Regierung bestellte damals den deutschen Botschafter ein und warf Deutschland eine falsche Asylpolitik vor.

Von Susi Wimmer

Der Fall hatte für Schlagzeilen und eine außenpolitische Staatsaffäre gesorgt: Nachdem im Sommer 2023 ein 18-jähriger Pole in einer U-Bahn-Station in München mutmaßlich von einem 20-jährigen Afghanen vergewaltigt worden war, warf die polnische Regierung Deutschland Verfehlungen in der Asylpolitik vor.

Der deutsche Botschafter wurde einbestellt, die polnische Regierung wollte eigene Staatsanwälte in München ermitteln lassen. Nun hat vor dem Landgericht München I der Prozess gegen den vermuteten Vergewaltiger begonnen. Der Angeklagte schweigt – und polnische Medienvertreter sucht man im Sitzungssaal vergeblich.

Wahidullah H. wirkt sichtbar eingeschüchtert, wie er auf der Anklagebank vor der 1. Jugendstrafkammer sitzt und den Worten des Dolmetschers lauscht. „Mein Mandant wird sich schweigend verteidigen“, verkündet seine Rechtsanwältin Rita Drar. Wobei die Tat zu leugnen, ohnehin wenig Sinn ergeben würde: Der Tatort, die U-Bahn-Station am Max-Weber-Platz, ist mit etlichen Kameras bestückt, die in jener Augustnacht genau aufzeichneten, was am Bahnsteig geschah.

Der Tourist Karol A. (Name geändert) hatte sich am Abend des 19. August 2023 mit Freunden in einem Irish Pub in der Innenstadt getroffen und dort „in nicht unerheblicher Menge alkoholische Getränke konsumiert“, so heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Es war schon weit nach Mitternacht, als er mit der U-Bahn am Max-Weber-Platz strandete. Dort konnte er „aufgrund seines erheblich alkoholisierten Zustands“ den Heimweg nicht mehr fortsetzen. Er kauerte mehrere Minuten auf dem Boden des Bahnsteigs und schaffte es dann, sich auf einen Sitzplatz zu schieben, wo er die Ellenbogen auf den Knien abstützte und teilnahmslos verharrte.

Etwa eine halbe Stunde später fuhr gegen 2.27 Uhr die letzte U-Bahn ein, und Wahidullah H. stieg aus dem Zug. Die Staatsanwaltschaft erklärt, der damals 20-Jährige habe erkannt, dass es sich um die letzte Bahn gehandelt habe und mit dem Auftauchen weiterer Personen um diese Uhrzeit deshalb nicht zu rechnen sei. Der Angeklagte soll den Betrunkenen eine Zeit lang beobachtet und erkannt haben, dass der 18-Jährige kaum mehr in der Lage gewesen sei, sich zu wehren.

Nach Bekanntwerden ging ein Aufschrei durch Polens Medienlandschaft

Über eine halbe Stunde lang soll H. dann an dem Geschädigten gezogen und gezerrt, ihn begrapscht und mehrmals vergewaltigt haben. Der betrunkene junge Mann soll vergeblich versucht haben, sich zur Wehr zu setzen. Er sei aber aufgrund der erheblichen Alkoholisierung, so die Staatsanwaltschaft, nicht einmal mehr in der Lage gewesen, sich zu äußern oder sich zu entfernen. Nach der Tat soll Wahidullah H. seinem Opfer noch das Handy entwendet haben.

Nach Bekanntwerden des Vorfalls ging ein Aufschrei durch die polnische Medienlandschaft. Der zwischenzeitlich abgelöste Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS geißelte die deutsche Migrationspolitik. Verteidigerin Rita Drar indes warf der Münchner Polizei vor, sie habe anfangs absichtlich falsch von einer stundenlangen Vergewaltigung gesprochen und dadurch dafür gesorgt, dass die Straftat zum Politikum geworden sei.

Der Geschädigte, so erzählt sein Anwalt Christos Perperidis, leide bis heute unter der Tat. Er befinde sich in psychologischer Behandlung und könne das Geschehene nicht vergessen. Er wird nicht persönlich im Gericht erscheinen müssen, die Kammer wird seine Vernehmung per Video einspielen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusProzess um Stalkerin
:Juristin im Liebeswahn

Ein Jahr lang macht eine 39-Jährige ihrem Kollegen Avancen, bedrängt ihn, schreibt ihm binnen weniger Tage 109 E-Mails – auch noch, als dieser gekündigt hatte und in eine andere Stadt gezogen war. Beim Prozess zeigt sich selbst der Richter fassungslos.

Von Susi Wimmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: