Typisch deutsch:Lässt der Esel die Ohren hängen, ziehen Wolken auf

Dachau, Therapietiere, Esel, Trauer

Der Esel als Wetterfrosch: Wenn seine Ohren hängen, dann wird es bewölkt.

(Foto: Toni Heigl)

Wird's heiß, wird's kalt, wird's regnen? Hierzulande beschäftigt das die Menschen täglich, in Syrien jedoch kaum. Und manchmal ist dort das Wetter so, wie Assad es will.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Fahrradfahren war nach dem Ende meiner Flucht in Bayern der Beginn, wieder Normalität zu spüren. Radeln mit meinem Kumpel Marcel, so einfach war der Plan. Nein, so einfach war er dann eben doch nicht. Denn mit Marcel setzt man sich nicht ohne weiteres auf den Sattel und fährt los. Marcel bestand darauf, dass wir schon Tage vorher die Wettervorhersage prüfen.

Die Deutschen sind wirklich in jeder Angelegenheit auffällig kompliziert, dachte ich mir. Sogar beim Wetter. Ich nahm das nicht wirklich ernst. Man kann sagen, dass sich viele Syrer wenig bis gar nicht mit dem Wetter befassen. Im Sommer ist es heiß bis sehr heiß, im Winter selten wirklich kühl. Das Wetter ist in den Nachrichten kein Format, dem jemand wirklich Beachtung schenkt. In Syrien ist das Wichtigste, die Kriegsnachrichten zu verfolgen. Nicht zuletzt wegen der Kämpfe im eigenen Land.

In Deutschland nehme ich wahr, dass die Leute aufmerksam den Wetterbericht im Fernsehen, im Radio und über Google verfolgen. In Syrien verfolgen die Menschen sich eher gegenseitig. Den meisten Nachrichtenkanälen dort sollte man nicht trauen. Politik wird verdreht dargestellt, und sogar der Wetterbericht ist falsch. Denn sogar der wird benutzt, um den Präsidenten gut aussehen zu lassen. Sein TV-Kanal behauptet, es sei sonnig, obwohl es bewölkt ist. Wenn es dazu dient, dass die Assad-Unterstützer eine Pro-Assad-Demo besuchen, dann ist auch dieses Mittel recht.

Eines Sommers war es sehr heiß in Syrien, in Wahrheit 45 Grad. Im Fernsehen hörte man etwas von unter 40 Grad. Warum? Damit das Volk nicht wütend wird. Der knappe Strom wird durch die Regierung reguliert, in weiten Teilen des Landes hat man im Sommer nur drei bis vier Stunden täglich Zugriff auf Strom. Je heißer die Temperaturen, umso größer der Unmut über abgeschaltete Kühlschränke und Lüftungsanlagen.

Hier in Bayern ist das Wetter wechselhaft, einfach kompliziert. Manchmal erlebt man alle vier Jahreszeiten an einem Tag. Mittags läuft die Klimaanlage, abends die Heizung. Es wäre ein interessantes Szenario, müssten die Münchner mit nur vier Stunden Strom am Tag auskommen. Mittlerweile beobachte ich das Wetter jeden Tag, wenn ich einen Termin für eine Reise, einen Ausflug oder eine Grillparty plane.

Früher, in Syrien, als im Fernsehen die Wetternachrichten kamen, stand meine Großmutter auf und sagte, ich solle Futter für den Esel hinstellen. Das machte ich, und während der Esel kaute, beobachteten wir ihn. Es war ganz klar: Wenn die Ohren des Esels aufgestellt sind, freut er sich, weil morgen die Sonne scheinen wird. Wenn seine Ohren hängen, dann wird es bewölkt.

Ein syrisches Sprichwort besagt: Iss nicht direkt aus dem Topf, damit es am Tag deiner Hochzeitsfeier keinen Sturm gibt. In München haben die Omas und Mamas der Stadt auch ihre meteorologischen Weisheiten: Esst eure Teller leer, dann wird es morgen schönes Wetter!

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