Süddeutsche Zeitung

Typisch deutsch:Schein oder Gutschein

Lesezeit: 2 min

Jahrelang hat unsere Autorin Werbeprospekte aus ihrem Briefkasten ungelesen weggeworfen. Doch weil die Preise steigen, hat sie nun den Versuch gewagt und einen Rabattgutschein benutzt.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Ohne Warnhinweise werden Münchens Briefkästen mit Rabatt-Flyern und Coupons von Geschäften befüllt. In den meisten Fällen beeilen sich die Stadtbewohner, solche Prospekte wegzuwerfen, ohne sie überhaupt durchzuschauen. Wie viele Münchner haben wohl schon mal einen per Post zugesandten Rabattcoupon eingelöst oder von einer Sonderaktion eines örtlichen Einkaufsgeschäfts erfahren? Sie sehen es lange als nervendes Beiwerk des Alltags, ehe sie sich entschließen, einen Sticker draufzukleben: Bitte keine Werbung.

Nun trägt es sich zu, dass die Preise in den Läden der Prospekthersteller steigen und steigen, mehr, viel mehr als sonst. Egal was auf der Einkaufsliste steht, alles ist spürbar teurer geworden. Als alleinerziehende Mama einer Tochter merke ich es deutlich. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich mich in finanziell sorgenvollen Gedanken an einen Freund von mir erinnert, oder besser, an eine seiner Gepflogenheiten.

Er ist von jener Spezies, die auf das Warnschild am Briefkasten verzichten. Mehr noch: Er freut sich regelrecht auf Prospekte, nimmt sie sachte heraus, sortiert sie, blättert alle durch und schneidet Elemente heraus. Spar-Coupons, Codes, Marken.

Ich hatte mir vor einigen Jahren mal einen Bitte-keine-Werbung-Aufkleber besorgt, ihn aber irgendwie nie installiert. Also habe ich die Reklamezuschriften halt weiter weggeworfen. Bis ich eines Tages im Auge der andauernden Krise gespannt ein Bündel zur Hand nahm und umblätterte. Zehn Prozent hier, 20 Prozent da, irgendwo stand gar 50 Prozent dabei, waren es die spanischen Trauben? Wenn man sich für einen Online-Einkauf registriert, stand da, erhält man einen Gutschein über 50 Euro für den ersten Einkauf. Es musste sich um eine gängige Falle handeln, ich konnte aber nirgendwo Hinweise entdecken. Ich beschloss, es zu versuchen.

Ich steckte die Coupons in meine Tasche und machte mich direkt auf den Weg zum Einkaufen. Ein wenig Bargeld hatte ich bei mir, nur für den Fall, dass es sich bei dem 50-Euro-Versprechen doch um einen Trick handelte. Mit meiner kleinen Taliah ging ich in den Laden. Wir suchten uns Waren im Wert von etwa 45 Euro aus. Beim Auschecken fragte ich die Dame, ob der 50-Euro-Einkaufsgutschein tatsächlich gültig sei. Sie lächelte, scannte ihn, und der Fall war erledigt. Es war tatsächlich ein Gutschein ohne Haken.

Man kann auf diese Weise einige Euros sparen. Die Falle tut sich dann auf, wenn man sich auf Prospekte zu Produkten stürzt, die man gerade überhaupt nicht braucht - dann sind sie kontraproduktiv und man gibt mehr Geld aus als ohne sie. In Einrichtungsreklame etwa schaue ich bewusst nur dann, wenn ich ein bestimmtes Möbelstück brauche. Ich habe mir angewöhnt, auf meinem Handy eine Erinnerung des Ablaufdatums einzustellen. So vergesse ich den Gutschein nicht und kann ihn bei Bedarf einlösen, solange er noch gültig ist. Den "Bitte-keine-Werbung"-Sticker habe ich inzwischen dorthin befördert, wo sonst immer die Prospekte landeten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5739930
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.