Typisch deutsch:Auf dem Rücken der Berge

Neue Lifte und Gondeln: Die Alpen-Skigebiete rüsten weiter auf

An das Skifahren musste sich unser Autor herantasten.

(Foto: dpa-tmn)

Unser Autor fuhr in seiner Heimat Syrien Sandhügel hinunter. In Bayern liegt aber Schnee auf den Pisten. Zeit für eine Annäherung.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Bayerns Berge lernte ich im Sommer kennen und schätzen. Im Winter hingegen wird es dort kompliziert. Denn im Winter sind sie mit weißem Hindernis bedeckt. Bei Schnee erinnern mich die Alpen an die Berge in Syrien: überall war weißer Staub, nur dass der Staub hier aus gefrorenem Wasser besteht, und nicht aus poröser Erde. Wenn Bayerns Berge mit Schnee überzogen sind, steigt dort der Schwierigkeitsgrad - und der Grad der Selbstüberwindung.

Meine syrischen Vorkenntnisse als Holzschlittenfahrer sollten mir auf den Parkhügeln im Großraum München den Einstieg in Bayerns Winterfreizeit erleichtern. Seither bin ich nur selten in Bäume oder andere Schlittenfahrer hineingefahren. Allein schon, weil der Bremsvorgang recht einfach zu meistern ist. Irgendwann aber kommt der Punkt, da ändern sich die Dinge. Und zwar wenn es heißt: Auf geht's zur Skigaudi.

Wer im Alter von über 30 noch das Skifahren erlernen soll, bekommt zunächst den Eindruck, dass sich die Worte Ski und Gaudi ausschließen. Es geht beim Skiverleih los, wo man so lange ansteht, als wäre halb München gekommen, um Schnee zu durchpflügen. Von der Seilbahn aus sieht man dann Leute die Piste herunterrasen, manche schlängelten sich elegant um ihren Stock, wieder andere findet man weit unterhalb ihrer Skier halb im Schnee stecken. So hart es klingt, als sich mir dieser Anblick zum ersten Mal bot, konnte ich mir ein Glucksen nicht verkneifen. Das war wahrscheinlich der Fehler.

Auf dem Gipfel angekommen, schnallte ich die Skier an und dachte mir: Die Kinder vor mir können Skifahren, also werde ich es auch können. Kurz mit den Stöcken angeschoben - und eh ich mich versah, entwickelte ich ein gewaltiges Tempo. Ich wollte mit den Armen nach rechts oder links steuern. Weil das misslang, hörte ich mich Kommandos rufen. Doch wenn die Skier laufen, helfen Worte nicht mehr viel. Ich wurde immer schneller und schneller. Ich suchte nach der Bremse an meiner Bindung. Es gab keine. Also bremste ich durch eine fast elegante Falleinlage, bei der ich beide Skier verlor.

Anfangs war ich eine richtige Flasche auf Skiern, wie sollte es auch anders sein. Wo wir doch als Kinder in Syrien einst eine Plastikflasche entzwei sägten und die beiden Teile verwendeten, um damit auf Sandhügeln Skifahren zu spielen. Wir standen hintereinander und sind nacheinander ganz ohne Bindung und Kanten nach unten gerutscht. Jedes mal, wenn ich vom Skifahrenspielen im Staub nach Hause kam, war meine Hose kaputt. Meine Mutter musste nicht nur einmal meine Blessuren verarzten. Einen Skihelm hatten wir schließlich nicht auf.

Fallen war ich also gewohnt. Wichtig beim Skifahren im Schnee ist, dass man danach wieder aufsteht - und nicht wie viele Snowboarder die Wasserfestigkeit des Hosenbodens testet. Mittlerweile gelingt es mir, mithilfe der Stöcke und Stahlkanten das Gewicht so zu verlagern, dass die Skier Kurven machen - und sich beim Bremsen nicht mehr von den Skischuhen lösen. Kombiniert mit einem eleganten Einkehrschwung vor der Hütte bekommt man eine Idee, warum der Begriff Skigaudi entstanden ist.

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