Süddeutsche Zeitung

Typisch deutsch:Brautstrauß, nicht Blaukraut

Überall in München gibt es Blumenschmuck, bei Dates bekommen Frauen oft Blumen. Und weil Männer bei dieser Gelegenheit leer ausgehen, hat sich unser Autor seinen ersten Blumenstrauß einfach selbst gekauft.

Kolumne von Olaleye Akintola

Der Balkon vieler Münchner besticht durch großzügigen Schmuck, durch Blumen in Vasen, Kästen oder großen Töpfen, bis hin zu ausgefallenen Lichtern, die in der Nacht jede Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Man könnte fast meinen, dies sei der Eingang zu einer Galerie oder Diskothek. Und wenn man in das Haus vieler Bayern kommt, sieht man kaum einen Raum, der nicht mit Blumen geschmückt ist.

Manche Blumen, die ich sehe, tragen ein übernatürlich blühendes Kleid, grün und glitzernd wie ein am Bach wucherndes Gemüse. Ob im Sommer oder im Winter, ihre Blätter verwelken nie. Eines Tages hielt ich die Blätter einer solchen Blume in der Hand, und siehe da, sie war aus synthetischem Material. Welche Enttäuschung.

Ich selbst war nie ein Blumensammler. Mein ganzes früheres Leben lang habe ich Blumen beim Vorbeigehen lediglich wachsen lassen, oft habe ich sie nicht mal wahrgenommen. Aber seit ich in Bayern lebe, kann ich sie nicht mehr übersehen. Wo Blumen in Beeten und Vasen, in Natur oder in Plastik, nicht verfügbar sind, werden sie eben gemalt und in Rahmen gehängt. Trauergäste strömen in Scharen erst in die Gärtnerei und dann auf den Friedhof. Sie tragen Blumensträuße, um Verstorbene zu ehren.

Bei romantischen Anlässen kommen oft Rosen ins Spiel. Sie gehen an weibliche Empfängerinnen als Ausdruck der Liebe. Solche Blumenlieferungen sind der Angebeteten keineswegs fremd. Sie weiß, ihre Beliebtheit wird dadurch bestätigt, wenn Duftendes eintrudelt.

Münchens Männer hingegen sammeln keine Sträuße, dafür haben manche eine Reihe Quittungen aus Blumenläden vorzuweisen. Bei Hochzeiten ist der Bräutigam derjenige, der den von der Braut geworfenen Strauß gepflückt hat. Aber warum sind Blumengeschenke eigentlich nur den Frauen vorbehalten?

Im Grunde sollte das Herz ein fruchtbarer Garten sein, in dem die besten Blumen wachsen und geerntet werden können. Denn bei Blumen geht es nicht nur um physische Ästhetik. Eigentlich geht es doch darum, dass sie überhaupt wachsen. Weswegen ich nicht weiter auf ein blumiges Geschenk gewartet habe - und mir meine ersten Blumen einfach selbst geschenkt habe.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

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SZ vom 25.06.2021/vewo
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