Typisch deutsch:Esst Eure Teller leer!

Besser nichts Frittiertes: Drei Tipps für gesundes Kantinen-Essen

Unser Autor ertappte sich dabei, dass auch er sich vom Reiz der Verschwendung verführen ließ.

(Foto: dpa-tmn)

Besucher bayerischer Bürokantinen laben sich an der Verschwendung von Lebensmitteln, die in anderen Ländern wertgeschätzt sind. Wird man als Neuankömmling irgendwann selbst auch so?

Kolumne von Olaleye Akintola

Auf ihren Tabletts liegen Salate, Obst, Brote und Joghurts, die das Hauptgericht begleiten. Man kann beobachten, wie sie ihr Essen im Stile eingefleischter Bürokraten vertilgen. Einige sind pingelig. Sie essen nur eines der vielen Fleischstücke auf dem Teller und lassen den Rest liegen. Andere interessieren sich für Salat und Gemüse - und lassen Nudeln und Kartoffeln übrig. Jeder von ihnen richtet sich nach dem Diktat seines Appetits. Am Ende stellen sie sich alle wieder in der gleichen Schlange an, um die Speisen in einen Behälter zu werfen und die Teller aufs Förderband zu stellen.

Man ist versucht, entweder zu erschauern oder vor Entsetzen zu sabbern. Pfeffergegrillte Hähnchen, mariniertes Rindfleisch, Pizza mit Ananas, Schokoladeneis, Fischsaucen und saftige Früchte werden in Containern entsorgt und in Lastwagen weggefahren. Solch eine sinnlose und gefühllose Tätigkeit wird hier ausgeübt, als wäre es das Normalste der Welt.

Während meiner Kindheit in Nigeria waren die Lebensmittel, die ich gegessen habe, selbstgemacht. Wir hatten eine große Familie, und meine Mutter hat genau so viel zubereitet, wie unsere Münder vertragen konnten. Für den seltenen Fall, dass doch mal was übrig blieb, gab es eine helfende Hand aus unserer Mitte.

Mit dieser Einstellung bin ich nach Bayern gekommen und kenne das Maß meines Appetits. Ich koche oft große Mahlzeiten und bin froh, dass es in München eine konstante Stromversorgung gibt, so dass ich Teile im Kühlschrank aufbewahren kann.

Die skrupellose Verschwendung von Lebensmitteln in Bayern ist mir längst nicht mehr unbekannt. Auf vielen Oktoberfesten habe ich miterlebt, wie gesund aussehende Hühnerknorpel und -knochen, die nette Fleischstückchen in sich trugen, von den Gästen im Stich gelassen wurden. Es ist verständlich, dass sie vielleicht keine Liebhaber von Knochenkalzium sind wie ich. Aber was ist mit den auf den Tellern verstreuten Resten von Reis und Kartoffeln passiert? Woher kommt diese Kultur, nach jeder Mahlzeit Reste von Speisen auf den Tellern zu hinterlassen? Ist es, um den Eindruck zu erwecken, dass man kein Vielfraß ist?

Interessant ist, dass man sich dem nicht ganz entziehen kann. Mittlerweile ertappe ich mich, wie ich Hühnerbeine entsorge, statt sie mit den Zähnen zu zerknacken. Nur weil Knochen und Mark nicht dem Standard entsprechen, den ich von nigerianischen Hühnern kenne. Sind ja genug andere Köstlichkeiten da.

Bayern ist ein Essenskorb Europas, der nie leer wird. Ich habe immer wieder Mitleid mit den Köchen und Küchenchefs der Münchner Restaurants, die auf diese Weise das Gegenteil von Wertschätzung erfahren. Womöglich ändert sich daran etwas, wenn die Lokale wieder öffnen dürfen. Vielleicht braucht es aber auch ein Freiwilligen-Programm für Leute, die den Männern und Frauen in Anzug und Blazer dabei helfen, ihre Kantinen-Teller leer zu essen. Sharing is caring.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

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