Typisch deutsch:Alte Socken à la carte

Typisch deutsch: Eine Käseplatte mit Wein und Früchten (Symbolfoto).

Eine Käseplatte mit Wein und Früchten (Symbolfoto).

(Foto: Katerina Solovyeva/Zoonar/Imago)

Die Käse-Auswahl in München ist vielfältig, doch der zugehörige Geruch unsäglich. Wie lässt sich das nur ertragen - und dann auch noch verzehren?

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Es war eine stinknormale Einladung zum Abendessen. Ich saß da, der Tisch voller Essen: Brot in mehreren Farben, Gemüse aller Art, ein großer Suppentopf und eine Platte voll mit Käse. Es sah fein aus, doch es roch ganz übel. Haben meine Socken ihr Aroma entfaltet? Was wäre mir das peinlich. Ich hoffte, dass irgendwo eine tote Maus unter der Kommode verweste.

Irritierend daran war, dass der Geruch meine Gastgeber keineswegs störte, ja ihnen offenbar gar nicht auffiel. Eventuell sind sie erkältet und ihnen ist der Geruchssinn abhanden gekommen? Benebelt wie ich war, bemühte ich mich redlich, die Suppe in Geleit eines Stücks Brot und einer Gurkenscheibe zu vertilgen. Als ich später am Abend nach Hause kam, hatte sich der Geruch in meiner Nase festgesetzt. Geht das je wieder raus?

Es war keine Maus gestorben. Der Geruch resultierte aus den verschiedenen Käseecken, die auf dem Tisch um die Wette mieften. Ich hatte ja seinerzeit ein schwieriges Verhältnis zu Käse. Aus Syrien kannte ich nur eine Sorte, die meine Mutter früher zu Hause gemacht hat: im Hof ​​des Hauses, wo sie Milch in einem weißen Stoffbeutel auf einen umgedrehten Eimer stellte und einen schweren Stein drauflegte, um das Wasser aus der Milch auszupressen. Nach ein paar Tagen wurde daraus leckerer, milder, nicht stinkender Käse. Es war lange die kleine Käsefabrik meiner Mutter, ehe ein russisches Flugzeug diesen Teil des Hauses bombardierte und die kleine Fabrik zerstörte. Seither hatte ich keinen Käse mehr angerührt.

Ich machte der Frau ein Kompliment, indem ich ihren Käse probierte...

Hier in Bayern reden viele Leute über verschiedene Biersorten, verschiedene Autotypen, verschiedene Brotsorten und sogar verschiedene Käsesorten. Allgäuer, Emmentaler, Blauschimmelkäse, Weißlacker, Obatzter. Das alles servierte man einige Zeit später bei einer weiteren Einladung, diesmal anlässlich des Geburtstags meines Nachbarn. Die Käsesorten wurden auf runden Holzbrettern gereicht, jede Platte enthielt aus jeder Käsefamilie ein bis zwei Sorten, die im Uhrzeigersinn von mild nach intensiv angeordnet und mit Obst dekoriert waren.

Ich saß neben Sandra, die Käse aus ihrem eigenen Laden beigetragen hatte. Sie fing an, mir die Arten und Formen zu erklären, und ich machte ihr ein Kompliment, indem ich ihren Käse probierte. Meine Hände zitterten und mein Gesichtsausdruck musste mich verraten: Der Käse war hart zu beißen und bitter im Geschmack. Mit dem Geruch fang' ich gar nicht erst an.

Die Annäherung an diese Speiseform brauchte einige Jahre. Geholfen hat mir der Viktualienmarkt. Es gibt dort haufenweise Käsesorten. Ihre Hersteller sind wie Künstler. Sie produzieren Hartkäse, Schnittkäse, halbfesten Käse, Weichkäse und Frischkäse. Wobei Frischkäse ein schwieriger Begriff ist. Sind dann alle anderen Käsesorten im Regal ranzige Ausschussware? Je öfter ich die Gerüche zu bewältigen hatte, desto weniger schmerzte es. Und irgendwann mochte ich es. Mal nussig, mal mild, mal rauchig.

Ich ging dazu über, mich den Ständen zu nähern und kleine Probierhappen freiwillig zu verkosten. Und dann war es soweit: Ich kaufte mir einen Allgäuer Käse, eingewickelt in Pergamentpapier. Ehe ich mich versah, war das Stück vertilgt. Oder wie der Oberbayer es ausdrückt: Der Kas is bissen. Und so machte ich mich abermals auf die Socken Richtung Viktualienmarkt.

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