Typisch deutsch:Die Quelle am Rucksack

Trinkflaschen in München, 2017

Eine Trinkflasche für jede Gelegenheit - die haben auch viele Münchner dabei.

(Foto: Stephan Rumpf)

Unser Autor kennt aus seiner Heimat, dass man an jeder Ecke Wasser bekommen kann. In München musste er feststellen, dass die Bewohner eigene Getränke mit sich herumtragen.

Kolumne von Olaleye Akintola

Man sieht sie überall in der Stadt: Menschen mit Rucksäcken, an denen Flaschen befestigt sind. Egal ob am Bahnhof, im Einkaufszentrum oder in der Fußgängerzone. Überall laufen Münchner herum, die mit einem Getränkegefäß ausgerüstet sind, zu dem sie jederzeit greifen können. Als wären sie Wanderer in einer Wüste.

Die Flaschen können aus dem Supermarkt stammen, oft handelt es sich aber um spezielle Anfertigungen zur Mehrfachverwendung. Erkennbar daran, dass sie etwa das Logo eines Fußballvereins ziert, ein kunstvolles Muster oder ein Symbol. So als wollte der Träger dieser Flasche damit ein Statement loswerden, eine Haltung signalisieren.

Beachtlich. Wo es doch einem durstigen Menschen egal sein müsste, in welchem Behältnis sein Getränk sich befindet. In Bayern nicht. Es gibt Flaschen mit kurvenreichen Formen oder mit eingebautem Strohhalm; andere haben kompliziert konstruierte Verschlüsse, die teilweise dazu führen, dass die Flüssigkeit sich mit auffälligem Geräusch in winzigen Rinnsalen in den Schlund begibt. Sehr durstige Individuen behelfen sich deshalb bisweilen damit, dass sie die Verschlusskonstruktion abschrauben und den Inhalt hinunterkippen.

Ich selbst kenne die Trinkflasche aus meiner Kindheit, als ich sie in der Schultasche dabei hatte. Mit dem Erwachsenwerden ging mir diese Praxis verloren. Das liegt wahrscheinlich daran, dass in Nigeria an jeder Ecke Wasser zu haben ist. Es handelt sich um durchsichtige Plastikbeutel, die man mit einem Halm aufsticht, der Inhalt ist meist ein halber Liter Wasser. Ein bisschen vergleichbar mit einer Capri-Sun, nur größer, durchsichtig und sehr viel billiger. Umgerechnet kostet so ein Halber-Liter-Beutel ein paar wenige Cent, in Münchens Kiosks und Imbissbuden ist man hier eher im Euro-Bereich unterwegs.

Zugegebenermaßen führte bei mir vor allem der finanzielle Aspekt dazu, dass ich mich beim Durststillen vom Unterwegseinkäufer zum Selbstversorger entwickelt habe. Was zudem den umweltfreundlichen Effekt hat, Plastik zu vermeiden. Bei meiner Selbstanalyse habe ich festgestellt, dass ich so mehr Wasser trinke als vorher, was - so sagt man - gesundheitsförderlich sein soll. Wahrscheinlich gibt es aus diesem Grund gar Beutel, die sich mit einem Schlauch zum Mund verbinden lassen, was in aller Regel von Sportlern oder - in einer Abwandlung - von Trinksportlern benutzt wird.

Die Selbstversorgerkannen dieser Stadt tarnen ihre Inhalte. Beliebt dürften neben Wasser auch Tee, Kaffee oder Saftmischungen sein; meistens lassen die Behältnisse hier wenig Rückschlüsse zu. In einer Sache bin ich mir ziemlich sicher: Bier enthalten die Münchner Behältnisse sehr wahrscheinlich nicht. Andernfalls würden an den Rucksäcken dieser Stadt nicht auffällig viele braune Glasflaschen mit eindeutig identifizierbaren Etiketten klemmen.

Übersetzung aus dem Englischen: koei

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