Tunnelpläne in München:Scharfe Kritik an "BMW-Autobahn"

Tunnelpläne in München: "Wer mehr Straßen sät, erntet mehr Verkehr", fürchten die Gegner eines neuen Tunnels im Münchner Norden.

"Wer mehr Straßen sät, erntet mehr Verkehr", fürchten die Gegner eines neuen Tunnels im Münchner Norden.

(Foto: Stephan Rumpf)

So nennen Klima- und Umweltschützer den geplanten Tunnel durchs Münchner Hasenbergl. 710 große Bäume müssten dafür womöglich gefällt werden. Oberbürgermeister Reiter verteidigt das Projekt.

Von Thomas Anlauf und Anna Hoben

Klimaschützer üben heftige Kritik an der politischen Kehrtwende beim Bau eines Tunnels durchs Hasenbergl. Am Mittwoch veröffentlichten Aktivisten einen offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und den Münchner Stadtrat. Die Kritik zielt darauf ab, dass der "Koalitionsbruch der SPD" auch von den Grünen zugelassen werde, obwohl im Koalitionspapier der grün-roten Stadtregierung festgelegt war, von Tunnelplänen auch im Hasenbergl abzusehen. So setze BMW den Stadtrat unter Druck, "mitten durch die Parks des Viertels einen Autobahnzubringer von der Schleißheimer Straße an die A99 zu bauen", heißt es in dem Papier.

Am Montag hatten sich die Sozialdemokraten im Koalitionsrat zu dem Tunnelbau positioniert; mit den Fraktionen von CSU/Freie Wähler und FDP/Bayernpartei gibt es im Stadtrat jetzt eine stabile Mehrheit für das umstrittene Verkehrsprojekt im Hasenbergl. Die Grünen wollen dagegen stimmen, tolerieren aber das Abweichen der SPD vom Koalitionsvertrag.

Kritiker monieren seit Monaten, dass es sich bei der Trasse um eine "BMW-Autobahn" handeln würde, die den Tausenden Mitarbeitenden eine bessere Zufahrt zu ihren Arbeitsplätzen ermöglichen würde. OB Reiter betonte am Rande der Stadtratssitzung am Mittwoch jedoch: "Es gibt keinen BMW-Tunnel, es gibt nur einen Tunnel für den Münchner Norden. Da fährt nicht nur BMW, da fahren auch ganz viele Münchnerinnen und Münchner, die haben seit zwanzig Jahren auf eine Lösung gewartet und warten immer noch", sagte Reiter.

"Moderne Logistik kann über Schienen gelöst werden. Wir stehen für ein Aus der BMW-Autobahn im Münchner Norden", schreiben die Initiatoren des offenen Briefs, der am Mittwochmittag veröffentlicht wurde. "Egal ob durch das Hasenbergl oder durch den Wald - wer mehr Straßen sät, erntet mehr Verkehr."

Am 31. Mai soll es Proteste vor der BMW-Zentrale geben

Die Protestbewegung "Keine BMW-Autobahn", deren Initiatoren sich "Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen" und Antikapitalistisches Klappradkollektiv" nennen, rufen zu Demonstrationen gegen die Planungen auf. So soll es am 31. Mai eine Fahrraddemo auch vor der BMW-Zentrale geben, am 1. Juni ist eine Kundgebung vor dem Rathaus geplant, dann will der Stadtrat über das Thema beraten. Zu den Erstunterzeichnern des Briefs gehören unter anderem Fridays for Future und Extinction Rebellion sowie Greenpeace und Bund Naturschutz.

Die Umweltorganisation Greenpeace hat mit ihrer Münchner Gruppe nun den Baumbestand auf der offenbar favorisierten Trasse durch das Hasenbergl analysiert. Demnach müssten auf der Strecke 710 große Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 80 Zentimetern gefällt werden.

"In der heutigen Klimakrise weitere Straßen zu bauen, um mehr Autoverkehr zu erzeugen und dafür wertvolle Bäume zu roden, ist unverantwortlich", sagt Ursula Hahn von Greenpeace. Es müssten für die bis zu 15 000 Menschen, die künftig rund um das geplante Forschungszentrum FIZ von BMW arbeiten sollen, "dringend gute Mobilitätsalternativen wie Radschnellverbindungen und guter ÖPNV-Anschluss der Umlandgemeinden Schleißheim und Dachau geschaffen werden", so Hahn.

Tunnelpläne in München: OB Reiter bei einem Termin im noch recht neuen Forschungs- und Innovationszentrum von BMW.

OB Reiter bei einem Termin im noch recht neuen Forschungs- und Innovationszentrum von BMW.

(Foto: Stephan Rumpf)

Oberbürgermeister Reiter betonte am Mittwoch: "Ich hätte auch gern eine Gesamtlösung, wo nicht nur der Tunnel drinsteht, sondern ein Paket, mit dem alle anderen Mobilitätsformen auch gelöst sind." Man müsse nun das Planfeststellungsverfahren beginnen, auch um zu sehen, welche Auswirkungen der Tunnel tatsächlich habe, auf die Natur und auf den Verkehr. Nicht zuletzt müsse man dann schauen, was das Projekt kosten werde. "Darüber wird wahrscheinlich nicht mehr dieser Stadtrat entscheiden, sondern eher der nächste."

Sowohl die Kosten - intern geht die Verwaltung schon vor einer abgeschlossenen Planung von einem Milliardenprojekt aus - als auch der lange Zeitrahmen dürften damit zu tun haben, dass die Grünen-Fraktion die Tunnelpläne zwar ablehnt, die Kehrtwende ihres Koalitionspartners aber toleriert.

Bislang ist auch die Trassenführung noch nicht abschließend geklärt. Vom Tisch ist offenbar der Tunnel unter dem Flora-Fauna-Habitat-Gebiet an der Schleißheimer Straße. Nun soll die Trasse womöglich auf Höhe der Aschenbrennerstraße in Richtung Westen zum Autobahnkreuz Feldmoching führen.

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