Die Technische Universität München (TUM) und der Softwarekonzern SAP werden in Zukunft noch enger zusammenarbeiten. Am Montag erklärten beide Seiten, sie wollten mit einer auf 50 Jahre angelegten Zusammenarbeit im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen die "Technologierevolution der Digitalisierung vorantreiben". SAP und TUM sprechen von ihrer Zusammenarbeit als deutschlandweit umfangreichste Partnerschaft zwischen einem Unternehmen und einer Universität.
Konkret sieht dieses Miteinander so aus: SAP investiert rund 100 Millionen Euro in einen Forschungsneubau auf dem Gelände des Campus der TUM in Garching. Das Grundstück gehört dem Freistaat Bayern, er stellt es für einen befristeten Zeitraum unentgeltlich zur Verfügung. Dort sollen ab Ende des Jahres 2022 dann 600 Mitarbeiter von SAP und 1 30 Mitarbeiter der TUM an Themen wie dem Internet der Dinge, Robotik und Mobilität forschen. "Diese Industry-on-Campus-Partnerschaft vereint die führenden Kompetenzen aus Wissenschaft und Wirtschaft in einzigartiger Weise", sagt Thomas Hofmann, Präsident der TU München. Man wolle neue Ideen in enger Partnerschaft auf den Markt bringen und so die Wirtschaft in Deutschland stärken.
Das sei ein Meilenstein, was die Innovationskraft des Standortes angehe. "SAP verspricht sich einen Zugang zu den hervorragenden Talenten an der TU", sagt Christian Klein aus dem SAP-Vorstand. Angesichts des Fachkräftemangels bei Informatikern sei es wichtig, mehr Studenten auszubilden und Talente nach Deutschland zu bringen. Der digitale Wandel verändere Abläufe und ermögliche Produktivitätszuwächse. Auf diesem Gebiet wolle man Fortschritte erreichen.
Verbindungen zwischen der TUM und SAP gibt es seit 2003. Damals begann die Zusammenarbeit mit einem Hochschulkompetenzzentrum, einer Initiative von SAP, Sun Microsystems und der TU München. Das Zentrum gibt es immer noch, es entwickelt unter anderem SAP-Lösungen für andere Universitäten und wird von Helmut Krcmar geleitet, dem Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der Fakultät für Informatik der TUM.
Er kenne das Unternehmen SAP seit 1983, sagt Krcmar. "Ich fand es wichtig, die Studierenden mit der praktischen Umsetzung der Systeme in Kontakt zu bringen." Deswegen habe sich die TUM damals um das Zentrum beworben. Die neue Zusammenarbeit sieht er als Chance: "Durch die räumliche Nähe entsteht unkompliziert ein direkter Kontakt. Wir können uns ohne Aufwand austauschen. Inhaltlich ist das aber getrennt."
Kooperationen zwischen Universitäten und Wirtschaftsunternehmen stehen immer wieder in der Kritik. Der Vorwurf: Die Unabhängigkeit der Forschung werde damit infrage gestellt. Krcmar verteidigt sich: Es sei keinesfalls so, dass SAP der TU diktiere, woran geforscht werden soll. SAP komme an den Campus, weil die TU interessante Ideen habe, die das Unternehmen so nicht habe. "Wir sind nicht die verlängerte Werkbank einer großen Firma", sagt Krcmar. Der Austausch funktioniere in beiden Richtungen.
Auch Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) unterstützt diese Sichtweise. Die strategische Forschungspartnerschaft sei für den Wissenschafts- und Technologiestandort Bayern ein großer Gewinn, sagt Sibler. Die TUM zeige, wie eine unternehmerische Universität ihr Potenzial bestmöglich ausschöpfen und die Forschung entscheidend mit voranbringen könne. Der Campus in Garching werde dank der Zusammenarbeit mit SAP zum führenden europäischen Standort in der Daten- und Informationstechnologie, behauptet TUM-Präsident Thomas Hofmann - zusammen mit dem neuen Fraunhofer-Institut, dem Forschungsneubau des Zentrums für Quantum Engineering und der Verlagerung der Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik an den Campus.
Derzeit sei die TU im Austausch mit Siemens, einem möglichen weiteren Partner auf dem Campus. Man wolle aber keinen Gewerbepark, sondern wenige, handselektierte Partner, so Hofmann. Was genau in den Verträgen zwischen SAP und der TUM steht, ist nicht bekannt. Die Verträge sind - wie auch die anderen Kooperationsverträge - nicht öffentlich. Mit den Partnern sei Vertraulichkeit vereinbart, sagt TUM-Sprecher Ulrich Marsch.
In den Verträgen stehe unter anderem, welche Themen man erforschen wolle, auch Details würden darin erwähnt. Wären die Verträge öffentlich, könnten konkurrierende Unternehmen diese Informationen nutzen, um herauszufinden, woran SAP in Zukunft arbeiten wird. Die Doktorarbeiten von Studierenden werden veröffentlicht, gibt Marsch an. Wenn in das Projekt geistiges Eigentum des Unternehmens eingeflossen ist und mit der Veröffentlichung Betriebsgeheimnisse offenbart würden, darf SAP die Veröffentlichung aber um drei Monate zurückhalten, um Patente oder Gebrauchsmuster anzumelden.
Erst am Freitag hat eine der Süddeutschen Zeitung vorliegende schriftliche Vereinbarung zwischen Facebook und der TU München neuen Anlass für Zweifel an der Unabhängigkeit eines Instituts gegeben. Facebook bezuschusst das im Oktober eröffnete Ethik-Institut. Im Januar dieses Jahres hatte das Silicon-Valley-Unternehmen der TU 7,5 Millionen Dollar in Aussicht gestellt. Laut der nun bekannt gewordenen Vereinbarung überweist Facebook das Geld jedoch in jährlichen Tranchen in Höhe von 1,5 Millionen Dollar, was ein Drohszenario eröffnet, falls die Zusammenarbeit nicht wie gedacht verläuft. Außerdem lassen sich Abschnitte des Schriftverkehrs so lesen, dass Facebook die Zusammenarbeit mit Professor Christoph Lütge, der die Echtheit der Dokumente bestätigt hat, beim Aufbau des Instituts zur Bedingung macht.
Scharfe Kritik an dieser Vereinbarung kam an diesem Montag von Nicole Gohlke. "Die aufgetauchten Vertragsunterlagen erhärten den Verdacht der Einflussnahme von Facebook auf die TUM. Die Universitätsleitung macht sich damit abhängig von Konzerninteressen und verscherbelt die Wissenschaftsfreiheit als Kern von Forschung", formulierte die Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke. Sie fordert: "Statt sich Privatunternehmen anzudienen, müssen die Hochschulen ihre Unbestechlichkeit bewahren."