Süddeutsche Zeitung

Tucherpark:Milliarden-Deal am Englischen Garten

  • Die Hypo-Vereinsbank will offenbar ein 120 000 Quadratmeter großes Areal am Englischen Garten verkaufen.
  • Auf der Fläche steht nicht nur das Hilton-Hotel, sondern auch eine große Sport- und Freizeitanlage.
  • In dem Verkaufsprozess sollen noch zwei Bieter aktiv sein, der Kaufpreis soll bei bis zu 1,2 Milliarden Euro liegen. Die Bank kommentiert die Information nicht.

Von Alfred Dürr

Es könnte einer der größten Immobilien-Deals seit langem werden: Die Hypo-Vereinsbank will offenbar ihren Bürocampus Tucherpark verkaufen. Nach Informationen des Branchendienstes Thomas Daily, der zu den führenden Anbietern von Informationen über Gewerbe-Immobilien gehört, geht es dabei um insgesamt zehn Gebäude - darunter das Hilton-Hotel - mit einer Fläche von 120 000 Quadratmetern direkt am Englischen Garten. Außerdem gehört die Sport- und Freizeitanlage der Hypo-Vereinsbank mit zum Paket. Der Kaufpreis soll bei bis zu 1,2 Milliarden Euro liegen. Die Bank kommentiert die Information nicht. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung hieß es, man nehme zu Gerüchten und Spekulationen nicht Stellung.

Zwei Bieter sollen in dem Verkaufsprozess noch aktiv sein. Immobilienexperten stellen allerdings die Frage, ob der Kaufpreis tatsächlich so hoch angesetzt werden kann. Denn es gebe noch offene Fragen beim Denkmalschutz und beim möglichen Baurecht auf dem Gelände. Einer umfassenden Neuplanung wären Grenzen gesetzt. Der Tucherpark zählt nämlich zu den wenigen einheitlich geplanten Büroquartieren aus der Nachkriegszeit und steht unter Ensembleschutz.

Federführend bei damaligen Konzept war Sep Ruf, einer der bedeutendsten deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts. Das Areal zwischen der Tivolistraße, dem Englischen Garten, der Ifflandstraße und dem Isarring ist denn auch mehr als eine seelenlose Gewerbesiedlung. Das in den späten Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in parkartiger Umgebung entstandene Verwaltungsviertel gilt als einzigartig in Bayern. Die Sep-Ruf-Expertin und Mitarbeiterin am Architekturmuseum der TU München, Irene Meissner, hat die Geschichte des Tucherparks dokumentiert.

Inspiration aus Amerika

Hans Christoph Freiherr von Tucher, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, das damals noch Bayerische Vereinsbank hieß, wollte auf dem Areal des historischen Mühlen-Bauwerks Erweiterungsbauten für die Bank errichten. Dem Institut war es damals in der Innenstadt zu eng geworden. Auf dem Gebiet befand sich auch die Ausflugswirtschaft Tivoli. Nach amerikanischem Vorbild sollte ein moderner Büropark außerhalb des Zentrums entstehen. Auf einer Reise in die USA, an der auch Sep Ruf teilnahm, wollte man Architektur, Baukonstruktion und Betriebsorganisation der dortigen Geschäftsneubauten kennenlernen. Die ersten Büroparks waren in den Fünfzigerjahren an der Peripherie von Städten in den USA entstanden. Mitte der Sechzigerjahre wurden auch in Deutschland nach diesem Vorbild Gewerbesiedlungen gebaut.

1967 stellte Ruf für das Tivoligelände einen städtebaulichen Gesamtplan auf. Ein Jahr später begannen die Bauarbeiten für das Technische Zentrum im Süden des Tucherparks - ein quadratischer, viergeschossiger Büropavillon mit vorgehängter Aluminiumfassade, der möglichst leicht wirken sollte. Das seinerzeit hochmoderne Verwaltungsgebäude habe ganz den amerikanischen Standards entsprochen, sagt Irene Meissner. Es sei darüber hinaus das deutschlandweit erste Technische Zentrum einer Bank gewesen, das mittels elektronischer Datenübertragung mit anderen Niederlassungen verbunden war.

15 Stockwerke, 500 Zimmer - das Hilton war hochmodern

Genau an dem ehemaligen Standort der "Tivoli-Kunstmühle" entstand das Hotel, das kurz vor Beginn der Olympischen Sommerspiele im Jahr 1972 eröffnet wurde. Für die Stadt war das Hilton mit seinen fünfzehn Geschossen und 500 Zimmern durchaus etwas Besonderes. Auch hier spielte das Stichwort hochmodern eine wesentliche Rolle - von der Ausstattung der Räume bis hin zum Pool und der Ladenpassage.

Die nicht für weitere Bauten der Bank vorgesehen Flächen wurden veräußert. Dazu gehört beispielsweise ein Grundstück, das die Computerfirma IBM Deutschland erwarb. Ruf errichtete für den Konzern ein achtgeschossiges Rechenzentrum. Die Gestaltungselemente sollten auch für später entstandene Gebäude im Tucherpark prägend sein. Das betrifft etwa auch die Hauptverwaltung der Bayerischen Rückversicherung. Der Architekt Uwe Kiessler hat hier später drei zylinderförmige Trakte mit einem runden Casinogebäude entworfen, gewissermaßen als eine moderne Interpretation der Ruf-Bauten.

Als "Hommage an die Architektur des Standorts" versteht auch der Architekt Andreas Hild seine Neubauten auf dem Grundstück des ehemaligen EDV-Zentrums der Landeszentralbank Bayern. Es war zwischen 1971 und 1974 von der bankeigenen Bauabteilung geplant worden. In dem Neubau des Büros Hild und K ist nun die Unternehmensberatung Roland Berger. Daneben befindet sich ein terrassenförmig ansteigender Komplex mit Eigentumswohnungen. Zwar hatte der Ensembleschutz auch für das ehemalige EDV-Zentrum gegolten. Aber eine Umnutzung war wegen der massiven Bauweise und der enormen Raumtiefen nicht möglich. Mit dem Landesamt für Denkmalpflege wurde schließlich eine Einigung über Abbruch und Neubau erzielt. Auch hier legte das Büro Hild und K Wert auf eine "offene Bauweise", die zum Tucherpark passt.

Wie die Modernisierung und Umstrukturierung des Tucherparks voranschreitet, das ist jetzt die Frage.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019/baso
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