Schwabing:Neues Leben im Tucherpark

Schwabing: Menschen sitzen selten auf der Terrasse am Wasser und am "Zeichen 74", einer Plastik des Bildhauers Bernhard Heiliger (1915-1995).

Menschen sitzen selten auf der Terrasse am Wasser und am "Zeichen 74", einer Plastik des Bildhauers Bernhard Heiliger (1915-1995).

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bürogebäude, ein Hotel, dazwischen Kunst und stattliche Bäume: Auf dem 160 000 Quadratmeter großen Areal soll ein vitales Quartier entstehen. Die Pläne der Investoren stoßen im Bezirksausschuss auf Zustimmung

Von Nicole Graner, Schwabing

Ein orangefarbenes, herrenloses Surfboard wird vom Wasser immer wieder an die Eisbachwelle gedrückt. Und ein ziemlich blasser Fußball dazu. Schon immer sammeln sich in der Welle vor dem Hilton-Hotel im Tucherpark schwimmende Utensilien. Vor ein paar Jahren war es auch ein kleiner, zerfledderter Sonnenschirm. Es macht Spaß, diesem zappelnden Mobile zuzusehen. Nur einen Blick weiter steht die monumentale "Zwillingsplastik" von Isamu Noguchi (1904- 1988). Wuchtige Steinquader aus 72 Natursteinplatten. Einer fehlt. Er liegt, so als ob er ganz zufällig vom Himmel gefallen wäre, ein paar Meter weiter auf dem Boden.

Diese Stelle vereint zwei Dinge, die den Tucherpark ausmachen - unabhängig von den großen, von Architekt Sep Ruf (1908-1982) gestalteten Gebäuden der Hypo-Vereinsbank, die das Areal verlässt, und dem Hilton-Hotel: das Wasser des Eisbachs, das sich durch den Tucherpark zieht, und der Raum für Kunst. Überall stehen Skulpturen, und manchmal wünscht man sich, sie würden mehr wahrgenommen, stünden an Orten, die sie einbinden würden in das tägliche Leben.

Das könnte sich vielleicht ändern. Denn Hines Immobilien und Commerz Real haben den Tucherpark Ende 2019 gekauft. Mit dem Ziel, auf diesem 160 000 Quadratmeter großen Grundstück ein urbanes Quartier zu schaffen, in dem Arbeit, Wohnen, Freizeit synergetisch verschmelzen. "Dazu", sagt Christian Meister, Projektleiter von Hines, "gehört auch die Kunst." Reaktivieren wolle man diesen Kunstpark.

Und ein weiteres Wort fällt, wenn die neuen Investoren von ihren Plänen erzählen: behutsam. Die Gebäude seien, obwohl eine "hochwertige Architektur" der Sechzigerjahre, in die Jahre gekommen, aber man wolle sie so weit wie möglich erhalten, sie nach neuen Energiestandards kernsanieren. Vor allem attraktive Erdgeschossnutzungen sollen entstehen.

Heute blickt man tatsächlich in die Büros, die in Pandemie-Zeiten sowieso fast leer sind. Man blickt auf die leere Mensa, die wenig einladenden Fenster des Hotels oder auf Tiefgaragen-Einfahrten. "Tote Erdgeschossflächen", sagt Meister. Unberührt von den Planungen ist die Geisenhofer-Klinik an der Hirschauer Straße. Sie gehört nicht zum Areal. Auch das Hilton wird zunächst bleiben.

Sensibel wollen die neuen Besitzer mit allem Grün umgehen, sich an den 2000 Bäumen orientieren. Flächen entsiegeln und vielleicht den Eisbach als "Energiequelle" nutzen. Eine große Herausforderung könnte es sein, die derzeitige "Insel", wie Meister den Tucherpark heute bezeichnet, mit der Isar zu verbinden. Denn zum Tucherpark gehört auch ein breiter Grünstreifen an der Isarseite der Ifflandstraße.

Weg von der Mono-Struktur, hin zu einem lebendigen Quartier mit unterschiedlichen Gebäuden, Nutzungen und Flächen. "Circular City" nennen es die Planer. Alles soll also in Bewegung bleiben, das Ganze ein Quartier werden, das sich, wie Meister bei der Präsentation der ersten Planungen sagt, "anpassen" kann. An die jeweilige Zeit, an die Bedürfnisse der Bewohner und an die Infrastruktur, die für das Viertel allerdings erst einmal hergestellt werden müsste. Denn Geschäfte gibt es heute dort keine. Dafür Tennisplätze des HVB-Clubs. Und es soll Wohnraum entstehen, der trotz dieser Lage bezahlbar bleibe, verspricht Meister. "Es muss ein diverses Quartier werden", sagt er - für alle gesellschaftlichen Schichten "offen und nicht nur etwas für elitäre Schichten".

Im Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann lobte Petra Piloty (SPD) die Ideen der Investoren. Alles sei "sehr gründlich" und nachvollziehbar aufgezeigt. "Es muss etwas mit dem Tucherpark passieren", sagte Piloty. Es gebe viel Leerstand, manches gammle vor sich hin. So wie diese ersten Ideen aussehen, könne es nur "gut laufen". Der BA hat dennoch eine Wunschliste: kein "Edelwohnen", Ateliers, eventuell eine Schule, eine gute Nahversorgung und ein schlüssiges Mobilitätskonzept. Daran arbeiten die Investoren bereits. Müssen sie auch. Denn die Parkplatzsuche unter anderem für Besucher des nahegelegenen Chinaturms und der Frauenklinik sowie der anliegenden Praxis ist schon heute Thema. Wenig Diskussionsbedarf löste das Vorhaben auch im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel aus. Die südlichen Nachbarn wünschen sich eine Öffnung des Geländes nicht nur zum Englischen Garten, sondern auch zum nördlichen Lehel hin. Mit diesem positiven Votum beider Gremien gehen die Planungen nun an die Stadt.

Vor dem Hilton steht eine weitere Skulptur von Elfe Gerhart (1919-2007). Sie heißt: "Die Last". Als Last sehen die Investoren die Neugestaltung des Tucherparks nicht. Aber als Herausforderung. "Uns ist bewusst", sagt Projektleiter Christian Meister, "was wir da für ein Erbe antreten."

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