Hospiz-Architektur:Wie gestaltet man Orte für die letzten Tage eines Menschen?

Hospiz TU München

Isabell Zacharias (links), Architekturprofessor an der TUM, und Katharina Rizzi, Leiterin des Hospizdienstes "Dasein", begutachten den Entwurf für das neue Hospizzentrum.

(Foto: Stephan Rumpf)

Studierende der TU München haben sich an einem Wettbewerb des Vereins "Dasein" beteiligt und ein modernes Hospiz entworfen. Für die Umsetzung fehlen aber Geld und Grundstück.

Von Sabine Buchwald

Das Haus mit der begrünten Dachterrasse ist ein Statement. Würde es gebaut werden, es höbe sich in seinen Ausmaßen und mit seinen offenen Giebeln optisch ab von den Gebäuden an der Goethestraße. Entworfen haben es Verena Kretschmer und Max Boehringer, Studierende am Lehrstuhl für Städtische Architektur der TU München. Ihre Idee ist ein trotz seiner Größe luftig wirkender Bau, der multifunktional genutzt werden soll: ein Ort etwa für ein Café, für Büros oder auch Wohnungen. In den beiden oberen Stockwerken, wo die Augen über die Dächer und in den Himmel wandern können, dort würden nach den Plänen der Studenten die Räume für die letzten Wochen und Tage todkranker Menschen entstehen. Dieser Entwurf ist einer von 13, die im zurückliegenden Wintersemester von Studierenden unter der Ägide von Architekturprofessor Dietrich Fink erarbeitet wurden.

Der Auftrag, ein zeitgemäßes stationäres Hospiz mit zwölf Betten zu entwickeln, kam von dem Münchner Verein und ambulanten Hospizdienst "Dasein". 28 Architekturstudenten hatten sich daran beteiligt. "Ein Seminar, das eine starke emotionale Ebene hatte", sagte Student Sebastian Hoyer bei der Präsentation der Entwürfe. Man habe über das Bett hinausgedacht und überlegt, was es denn bedeute, die letzte Zeit seines Lebens in einem Hospiz zu verbringen.

Für Fink ist ein Hospiz "temporäres Wohnen", und Wohnen etwas Alltägliches. Das bedeute für Gebäude in einer Großstadt, sie sind nicht unbedingt monofunktional. Anfang nächster Woche werden von einer Jury drei Sieger des Wettbewerbs gekürt. "Dasein" stellt dafür ein Preisgeld von 4500 Euro bereit. Ein Zeichen, wie wichtig der Verein die Arbeit der Studierenden und eine mögliche Realisierung nimmt. Bis dahin allerdings ist es ein langer Weg. Denn noch fehlen sowohl das Baugrundstück als auch die finanziellen Mittel, um das Projekt umzusetzen. Allein: Ein starker Wille des Bauträgers und der Bedarf sind da.

Derzeit gibt es gerade mal 28 stationäre Hospizbetten von zwei Trägern in München: 16 davon im Haus des Christophorus Hospiz Vereins (CHV) in der Effnerstraße und zwölf im Johannes-Hospiz der Barmherzigen Brüder in Nymphenburg. Auch der CHV plant ein neues Hospiz-Zentrum, allerdings ohne stationäre Betten, sondern als eine Art ambulante Begegnungsstätte, in der Kranke und ihre Angehörigen umfangreiche Hilfe bekommen, mit der Situation umzugehen.

Hospiz TUM

So stellen sich die TUM-Studierenden das Hospiz von außen vor.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bestmöglicher Beistand für Menschen, die unheilbar krank sind, die den Tod vor Augen haben, das ist auch im Sinne von "Dasein". Seit 1991 begleiten knapp 30 hauptamtliche Palliativfachkräfte und 80 ehrenamtliche Mitarbeiter sterbende Menschen zu Hause, in Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern. Immer wieder würden Patienten auf den Palliativstationen der Kliniken gehalten, weil es für sie keine anderen Optionen gebe, sagt Katharina Rizzi, Geschäftsführerin von "Dasein". Etwa weil Angehörige fehlen, nicht in der Nähe leben oder mit der Pflege überfordert sind.

Rizzi schwebt ein geschützter Ort vor, der mehr bietet als ein Bett, an dem ein "Zusammenspiel von Leben und Sterben möglich" ist. Das Grundstück sollte in Innenstadtnähe oder im Münchner Süden liegen und möglichst gut an den öffentlichen Verkehr angebunden sein. Sterben gehöre nicht an den Rand, sagt sie. Nicht nur geografisch betrachtet, sondern vor allem im gesellschaftlichen Zusammenhang: "So wie wir leben, bekommen wir kaum mehr mit, dass Menschen sterben", sagt sie und empfiehlt eine möglichst frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema - auch bei jüngeren Leuten.

Wünsche für das Bauvorhaben wären etwas Grün in der Nähe, eine Architektur, die einen offenen Blick gestattet und am besten einen Dachgarten oder zumindest Balkon bietet. Denn je nach Krankheit, Verlauf und Zeitpunkt des Einzugs verbringen Patienten nicht nur einige letzte Tage in einem Hospiz, sondern manchmal mehrere Monate. Eine ausreichende Anzahl von Hospizbetten in einer Gesellschaft könnte die Diskussion über Sterbehilfe verändern: etwa wenn sich schwerkranke Patienten gut versorgt und nicht als Last für ihre Angehörigen fühlen. Oder wenn, so Rizzi, die letzte Zeit wieder als "ein natürlicher Teil des Lebens und als urmenschliche Erfahrung" empfunden werde.

Hospiz TUM

Der Blick in eines der Zimmer, wo todkranke Menschen ihre letzten Tage verbringen sollen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Um die Aufgabe der Studierenden zu konkretisieren, hatte man ihnen drei mögliche Standorte in der Münchner Innenstadt vorgegeben. Die seien ausgewählt worden, weil sie in öffentlicher Hand und von der Lage her sehr spannend seien, sagt Isabell Zacharias, ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete und Projekt-Koordinatorin bei "Dasein". Sie liegen an der Wittelsbacherstraße nahe St. Maximilian, an der Goethestraße am Ende des Klinikareals, und das größte Areal an der Herzog-Wilhelm-Straße, wo derzeit eine Tankstelle und ein Flachbau stehen.

Die Wahl sei rein spekulativ, betonen Rizzi und Zacharias. Gespräche mit der Stadt habe es dazu noch nicht gegeben. Auch andere Grundstücke kämen in Betracht, solange sie zentrumsnah seien. Neben der Standortfrage gilt es für den Hospizverein, die Finanzierung zu regeln. Man rechne mit einem Investitionsrahmen von 35 Millionen Euro. Erste Signale von privaten Spendern gibt es bereits.

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