Trauer um Bernd Eichinger:Der Mann, der auf dem Teppich blieb

Bernd Eichinger dominierte die Filmstadt München. Hier lebte, arbeitete und feierte er exzessiv. Bis er zuletzt doch ein bisschen bürgerlich wurde.

Christian Mayer

Es war eine der letzten Begegnungen mit Bernd Eichinger, ein merkwürdiger Moment auf dem von Scheinwerfern erleuchteten Odeonsplatz. Vor dem Filmcasino lag ein roter Teppich, der Schauspieler Moritz Bleibtreu sprach gerade mit zehn Kamerateams gleichzeitig, weil Oskar Roehlers Film "Jud Süß" in München Premiere feierte; drinnen drehte sich die übliche Prosecco-Bussi-Runde im Kreis. Als Bleibtreu gerade wieder ansetzen wollte, wie er mit der Filmrolle des Joseph Goebbels fertig geworden sei, erschien plötzlich Eichinger aus dem Off, um seinen Freund Moritz auf eine etwas ungelenke, fast schon rührende Weise zu umarmen. Der Filmproduzent trug eine schwarze "Resident-Evil-4"-Jacke, er wirkte damit wie ein Fremdling, steuerte aber sofort seinen Stammplatz in der Bar seines Vertrauens an, Arm in Arm mit seiner Frau Katja.

Katja Flint und Bernd Eichinger, 2002

Katja Flint und Bernd Eichinger tanzen 2002 beim Deutschen Filmball.

(Foto: HESS, CATHERINA)

Der rote Teppich ohne Eichinger - das war lange Zeit unvorstellbar, geradezu geschäftsschädigend. Erst seine Anwesenheit verlieh einer Filmpremiere die nötige Relevanz, in den allermeisten Fällen hatte er über die Constantin Film ohnehin seine Finger im Spiel - als Verleiher, Produzent, Drehbuchautor und Regisseur dominierte er die Münchner Filmbranche nach Belieben. Fürchterlich war das Geschrei bei den Veranstaltern, wenn er einmal nicht den Filmball im Bayerischen Hof besuchte, wo er so gerne mit den jeweils aktuellen Stars des deutschen Kinos, die immer auch potentielle Lebensgefährtinnen waren, Hof hielt. Hannelore Elsner, Barbara Rudnik, Katja Flint, Corinna Harfouch begleiteten ihn bei seinen Auftritten, manchmal war es auch nur eine geheimnisvolle Schöne aus Kolumbien, über die der Boulevard dann ausführlich berichten konnte.

Geschäfte im Romagna Antica

Wenn er seinen Geschäften in München nachging, verging kein Abend, ohne dass er mit seiner Entourage im Restaurant Romagna Antica in der Elisabethstraße auftauchte. In Schwabing, wo seine Karriere bei der Produktionsfirma Solaris begonnen hatte, die er 1974 gegründet hatte. Abends traf man sich bei Fabrizio Cereghini, 33 Jahre lang Wirt in Eichingers Lieblingslokal. Cereghini kannte den leicht entflammbaren, aber auch den liebevollen Draufgänger, der gerne mal aus purer Lebenslust Gläser zertrümmerte, aber gelegentlich auch weinte: "Wenn andere Gäste da waren, hielt er sich zurück, aber wenn er mit seinen Freunden allein war, konnte das Gelage bis zum frühen Morgen gehen." Die Romagna-Runde war eine lockere Vereinigung von Schauspielern, Filmleuten und wirklich engen Freunden wie Wolf Wondratschek, die ähnlich dachten wie Eichinger: Dass gutes Kino immer auch ein Millionenpublikum erreichen muss, dass Kunst also im besten Sinne populär sein muss. Aber so fanatisch, so leidenschaftlich für die Sache lebte nur einer, Bernd Eichinger.

Bei aller Weltläufigkeit blieb er doch eine Münchner Figur, die in seiner Stadt bald einen legendären Ruf zu verteidigen hatte. Fabrizio Cereghini erinnert sich an die Zeit, als Eichinger Ende der achtziger Jahre unaufhörlich mit Helmut Dietl verhandelte; es ging natürlich schon um die Vorbereitung für "Rossini", den definitiven Klassiker über die Münchner Schickeria, das Filmgeschäft und den Promi-Popanz. Dieser Geniestreich machte aus dem eher bescheidenen Italiener "Romagna Antica" einen Mythos, wie ihn nur das Kino hervorbringt. Die Wirklichkeit war wohl nicht ganz so glamourös. "Manchmal redeten die beiden aber auch gar nicht miteinander", sagt der Wirt. "Dann saß Eichinger wie immer an Tisch eins und Dietl wie immer an Tisch zwei - Rücken an Rücken, jeder mit seinen Leuten."

30 Jahre Eichinger hat auch der Gastronom Charles Schumann erlebt. "Er war ja einer meiner ersten Stammgäste in meiner alten Bar in der Maximilianstraße. Der Bernd suchte damals die Nähe der Medien, damals gab es ja noch Journalisten, die man unbedingt kennen musste", erzählt Schumann, der traurig, aber gefasst wirkt und von der Zeit erzählt, als große Stars wie Sean Connery in die Bar kamen, natürlich wegen Eichinger. Klein-Hollywood in München - das wollte Eichinger in seiner wilden Zeit, als er zu viel trank, zu viel rauchte. Rituale waren ihm wichtig, natürlich auch der Stammplatz am Eingang, der für ihn sofort und ohne Widerrede freigeräumt werden musste, manchmal konnte sich Eichinger fürchterlich aufführen. "Ich war wohl einer der wenigen, die ihm auch mal die Meinung sagen durften, vielleicht hat er mich deshalb geschätzt", sagt Schumann. "In letzter Zeit konnte man richtig normal mit ihm reden, er suchte die Nähe. Vermutlich hat er auch Humor gehabt, das haben wir alle ja eher nicht. Ich vermute auch, dass er letztlich einsam war."

der erste und letzte Münchner Film-Tycoon

Eichinger, der Unnahbare, den jeder kannte, weil die bunten Blätter mit Vorliebe über seine Großprojekte, noch lieber aber über seine Liebschaften berichteten. Er war der erste und letzte Münchner Film-Tycoon; seinen Geburtsort Neuburg an der Donau hatte der Absolvent der Hochschule für Fernsehen und Film weit hinter sich gelassen. Und hätte ihm der Nadelstreifenanzug nicht besser gestanden als die ewige Sakko-Jeans-Kombination, wozu er meist Turnschuhe trug? "Klar, er hätte sich auch anders anziehen können, eleganter, wie ein echter Hollywood-Boss", sagt Schumann. "Er hat sich aber stilistisch nie verändert, und das sagt auch schon etwas." Mit Eichinger verband den Barmann auch ein heimlicher Lokalstolz: In der angeblichen Kreativkapitale Berlin wären diese beiden Eigenbrötler aus der bayerischen Provinz so wohl nicht denkbar gewesen.

Warum ihn die Frauen so geliebt haben, obwohl er alles andere als ein Cary-Grant-Typ war? Man darf vermuten, dass es nicht nur an der Aura der Macht lag, an der schier unbegrenzten Möglichkeit, attraktive Rollen zu vergeben und Karrieren zu befördern. "Man kann mir viel nachsagen, aber nicht, dass ich mit schwachen Frauen zusammen war", hat Eichinger einmal gesagt. "Bernd war ein guter Zuhörer, er hat die Frauen ernst genommen", sagt Bunte-Reporterin Marie Waldburg. "Sie liebten seine Direktheit, die Andersartigkeit, das Unangepasste." Erst seiner 22 Jahre jüngeren Frau Katja, einer Drehbuchlektorin und Journalistin, die er 2005 heiratete, gelang das Wunder, den unsteten Geist weitgehend zu beruhigen - die große Party war vorbei. Stattdessen arbeitete Eichinger an immer neuen Stoffen und zog sich zurück, um an Drehbüchern zu feilen.

"Natürlich schwächt sein Tod die Constantin und damit den Münchner Film. Er hat den Standort doch erst groß gemacht", sagt Günter Rohrbach, der mit ihm gemeinsam "Die unendliche Geschichte" produzierte; der Welterfolg machte die Bavaria Filmstudios berühmt. Wenn der 20 Jahre ältere Rohrbach über Eichinger nachdenkt, kommt er zum überraschenden Schluss: "Ich habe ihn nie als Egomanen begriffen. Die längste Zeit war er ein Unbehauster, er eilte von Film zu Film, lebte am Set und in Restaurants. Doch zuletzt ist er eine bürgerliche Existenz eingegangen."

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