Tram-Westtangente:Eine neue Großbaustelle in der Stadt

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Etwa 100 Gäste sind gekommen, um den offiziellen Spatenstich für die Tram-Westtangente mitzuerleben. (Foto: Robert Haas)

Der erste Beschluss, die Straßenbahnstrecke zu bauen, fiel vor mehr als 30 Jahren. Nun geht’s los – und für viele Autofahrer bedeutet das erst einmal: Stillstand. Beinahe zumindest.

Von Andreas Schubert

Auf der Fürstenrieder Straße staut es sich. Zwischen Gotthardstraße und Autobahnbrücke an der Ammerseestraße über die A96 kommen die Fahrzeuge, auch die Linienbusse der Münchner Verkehrsgesellschaft, nur im Stop-and-Go-Modus vorwärts. In der Gegenrichtung fließt der Verkehr etwas flüssiger – und trotzdem merkt man den Fahrerinnen und Fahrern schon als Beobachter am Straßenrand an, dass sie genervt sind. Es gibt nur noch eine Fahrspur pro Richtung, die Fürstenrieder Straße hat etwa 70 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit eingebüßt.

Das Hupen der Autofahrer übertönt immer wieder die kleine Kapelle, die an der Ecke Ammerseestraße bayerische Tanzlmusi zum Besten gibt. Die tapfer gegen den Verkehrslärm anspielenden Musiker sollen eigentlich einen festlichen Akt untermalen, auf den viele seit Jahrzehnten gewartet haben. Kurz vor Mittag verfolgen rund 100 Gäste den Spatenstich zur Tram-Westtangente. Zu den Schaufelschwingern zählen Münchens Zweiter Bürgermeister Dominik Krause (Grüne), Mobilitätsreferent Georg Dunkel und Ingo Wortmann, der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG).

Bis Ende 2025 soll hier der erste, rund anderthalb Kilometer lange Teilabschnitt der Westtangente zwischen der Ammerseestraße und der Agnes-Bernauer-Straße entstehen. Die komplette Tangente soll dann von Ende 2028 an auf knapp neun Kilometern Länge fünf Stadtbezirke miteinander verbinden, drei U-Bahnlinien verknüpfen und auch an die S-Bahn in Laim angeschlossen sein.

Etwa zehn Wochen hat sich der Spatenstich verzögert, weil das Mobilitätsreferat den Baubeginn noch nicht freigegeben hatte. Man sah noch Anpassungsbedarf, um den Verkehrsfluss nicht komplett zum Erliegen zu bringen. So wurden unter anderem Ampelanlagen im weiteren Umfeld neu programmiert und Umleitungsstrecken ausgeschildert, damit der Durchgangsverkehr erst gar nicht seinen Weg in die Fürstenrieder Straße findet.

„Endlich wird es wahr“, sagte MVG-Chef Wortmann, der noch einmal für die Akzeptanz des Projekts warb. Mehr als 10 000 zusätzliche Fahrgäste täglich bringe die neue Nord-Süd-Verbindung. Und laut Berechnungen der MVG sollen dadurch bis zu 17 Millionen mit dem Auto gefahrene Kilometer pro Jahr eingespart werden. Baustellen wie diese verbesserten die Stadt und somit auch die Lebensqualität. „Das ist es wert.“

Bis dahin müssen insbesondere die Einwohner Laims einiges an Einschränkungen ertragen. Georg Dunkel räumte ein, dass dies für alle eine „anstrengende Zeit“ werde. Die Westtangente ist momentan das größte Trambahnprojekt Bayerns. Größer würden allerdings die geplanten Straßenbahnbauten in Erlangen (26 Kilometer) und Regensburg (17 Kilometer), über die die Bürger dort am kommenden Wochenende abstimmen.

Der Grundsatzbeschluss zur Westtangente fiel bereits 1991, 2016 dann bekannte sich der Stadtrat erneut zu deren Bau – mit den Stimmen der CSU.

Die Christsozialen sind inzwischen wieder umgeschwenkt und gehen mit allen rhetorischen Mitteln gegen die Tangente vor. Am Freitag kritisierten sie per Pressemitteilung die „Chaos-Tram“ und die „Spatenstich-Posse“ und forderten Aufklärung über die aus ihrer Sicht misslungene Planung, die dazu führe, dass „der halbe Westen“ im Dauerstau stehen müsse.

Die MVG hält dagegen, dass man mit dem großen Baufeld schneller vorankomme. Aufwendig macht das Projekt zudem, dass unter der künftigen Tramtrasse rund 100 Leitungen für Strom, Telekom, Gas und Fernwärme neu verlegt werden müssen und zudem Münchens größte Hauptwasserleitung erneuert wird, die aus den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts stammt.

Bürgermeister Krause erinnerte an die großen ÖPNV-Bauprojekte in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Davon zehrten die Münchner noch heute. Er könne verstehen, dass die Großbaustelle keine Begeisterungsstürme auslöse, deren grundsätzliche Ablehnung könne er aber nicht ganz nachvollziehen.

Er verwies auf den hohen errechneten Nutzen der Trasse und darauf, dass in den miteinander verbundenen Stadtvierteln 250 000 Bürger leben. Der Ausbau des ÖPNV-Netzes sei eine Grundvoraussetzung für eine attraktive Mobilität und damit die Lebensqualität in München.

Lob, dass es endlich losgehe, kam auch vom Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr (AAN) im Münchner Forum und vom Fahrgastverband Pro Bahn.

Doch billig wird das Projekt nicht. Die Gesamtkosten liegen nach derzeitigem Stand bei 490 Millionen Euro. Die Stadt rechnet mit 300 Millionen Euro Fördergeld von Bund und Freistaat. 160 Millionen finanziert sie aus dem städtischen ÖPNV-Bauprogramm, die restlichen 30 Millionen übernehmen die Stadtwerke.

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