Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Viermal Nein ist Nein

Eine Brauerei wirbt auf Münchner Trambahnen mit einer vierfachen Verneinung für sich. Was kommt heraus, wenn man das Logik-Knäuel entwirrt?

Glosse von Stephan Handel

Wie jedermann weiß, ist im Bairischen die doppelte Verneinung absolut nicht so verboten wie im sogenannten Hochdeutschen: Dort wird sie höchstens im ironischen oder im abschwächenden Sinn verwendet - "ich bin nicht unglücklich" bedeutet, dass man momentan nicht zum Selbstmord neigt, glücklich sein muss man deshalb noch lange nicht. Im Bairischen hingegen sind alle Verbindungen wie "nie nicht" legal, und dass die Menschen hierzulande ihren eigenen Sinn für Logik haben, zeigt sich darin, dass sie überhaupt nicht finden, zweimal Nein müsse zum Ja werden - zweimal Nein bleibt Nein, warum auch nicht.

Nun aber fahren in München Trambahnen herum, die das Prinzip der mehrfachen Verneinung auf die Spitze treiben. Eine Brauerei aus dem Landkreis Ebersberg wirbt auf den Zügen für sich; der Slogan ist ohne Weiteres geeignet, schon am frühen Morgen auf dem Weg zur Arbeit für Gehirnverknotungen zu sorgen. Er lautet: "Mia ham no nia ned nix anders ned drunga", für alle des Bairischen unmächtigen: "Wir haben noch nie nicht nichts anderes nicht getrunken". Das sind vier Verneinungen auf einem Haufen, das dauert ein bisschen, den Haufen beziehungsweise das Gehirn zu entknoten. "Wir haben noch nie was anderes getrunken", das ist die einfache Version. Zweifache Verneinung: "Wir haben noch nie nicht was anderes getrunken", heißt: "Wir haben bislang immer was anderes getrunken". Bei der dreifachen Verneinung stimmt's dann wieder: Wir haben noch nie nicht nichts anderes (als dieses Bier) getrunken. Aber dann ist der Gaul mit dem Werbetexter durchgegangen: Wir haben noch nie nicht nichts anderes (als dieses Bier) nicht getrunken bedeutet: Wir haben bisher immer etwas anderes als dieses Bier getrunken.

Ob das so gemeint war? Ob die Brauer an die Filser-Briefe des Ludwig Thoma gedacht haben, der der bairischen doppelten Verneinung dort ein literarisches Denkmal gesetzt hat? Oder dachten sie: Scheiß drauf, wird schon keiner merken? Eines dürfte gewiss sein: Wer am frühen Morgen den Slogan auf der herannahenden Tram liest, wird in den wenigsten Fällen schon geistig fit genug sein, das Verneinungs-Knäuel zu entwirren. So gesehen hat die Brauerei keinen Fehler nicht gemacht.

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