Knappe Kassen:Stadt will 118 Millionen beim Nahverkehr einsparen

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Nicht alle geplanten ÖPNV-Projekte in München können aufgrund des neuen Sparplans im Nahverkehr in der ursprünglich anvisierten Zeit realisiert werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wegen der angespannten Haushaltslage müssen größere Projekte beim Ausbau von Tram und Bus verschoben werden. Auch das Ziel einer klimaneutralen Stadt bis 2035 ist durch die Entscheidung erheblich gefährdet.

Von Andreas Schubert

Die Stadt München ist klamm. Deshalb muss sie auch beim öffentlichen Nahverkehr sparen und einige geplante Projekte für den Ausbau schieben. So sollen von 2025 bis 2027 aus den Mitteln für das ÖPNV-Bauprogramm rund 118,8 Millionen Euro zur Konsolidierung des städtischen Haushalts vorübergehend gespart werden. Das geht aus einer Vorlage für den Wirtschafts- und Mobilitätsausschuss am 28. Januar hervor. Dort heißt es wörtlich: „Die Prioritäten für den künftigen Einsatz der knapper werdenden Ressourcen müssen somit, neben dem weiterhin notwendigen Ausbau der Infrastruktur und des Angebots, verstärkt auf die Aspekte der Betriebsstabilität, Verlässlichkeit, Sicherheit und Modernisierung des Systems gelegt werden.“

Das hat weitgreifende Auswirkungen: Vom einstigen Ziel, dass bis zum Jahr 2030 30 Prozent aller Wege der Münchner Bevölkerung mit dem öffentlichen Personennahverkehr zurückgelegt werden sollen, muss sich die Stadt verabschieden. Auch die anvisierte Klimaneutralität bis 2035 wird dadurch erheblich gefährdet.

Geschoben werden müssen einzelne Projekte des Trambahn-Ausbaus. Dazu gehört die Tram Ramersdorf-Perlach. Diese 7,5 Kilometer lange Linie wäre eine Wiederbelebung der 1980 stillgelegten Linie 24. Sie soll den Ostbahnhof und Neuperlach Zentrum verbinden. Ebenso betroffen sind die Tram Südtangente, die vom Waldfriedhof über Harras und Candidplatz, Tegernseer Landstraße und Welfenstraße bis zum Ostbahnhof führen soll, und die Tram Wasserburger Landstraße, die über die Kreillerstraße und Wasserburger Landstraße verlaufen und möglicherweise bis nach Haar führen könnte. Für diese potenziellen neuen Trassen sind zunächst Machbarkeitsstudien vorgesehen. Die werden nun erst vom Jahr 2027 an realisiert, was die Projekte in noch weitere Ferne verschiebt. Zu einem späteren Zeitpunkt soll auch die Tram-Neubaustrecke – Berg am Laim – Daglfing kommen, bei der künftigen Tram St.-Veit-Straße & Kreillerstraße wird der barrierefreie Ausbau der Wendeanlage St.-Veit-Straße zurückgestellt.

Auch das Bus-Netz ist betroffen. So kann die Bushaltestelle Olympiasee erst nach 2027 barrierefrei ausgebaut werden. Bei Verschiebung des Umbaus des Busbahnhofs Studentenstadt fallen zudem zusätzliche Betriebskosten an, gleichzeitig entfiele Einsparpotenzial. Der bereits bewilligte Förderbescheid verliert zudem laut Vorlage bei einer Verschiebung des Baubeginns nach 2025 seine Gültigkeit. Es müsste ein neuer Förderantrag gestellt werden, ob der wiederum bewilligt wird, sei offen, heißt es.

Nicht alle Projekte werden auf Eis gelegt

Ohne Verzögerung wird weiterhin an der Tram-Westtangente gearbeitet, die planmäßig Ende 2028 fertig werden soll. Hier werden aber Ausgaben in Höhe von 30 Millionen Euro auf das Jahr 2028 verlagert, sodass auch diese Maßnahme zur Konsolidierung beiträgt. Ein Problemfall wäre aus Sicht des Mobilitätsreferats auch eine Verschiebung der Tram Johanneskirchen, der das Referat und die Münchner Verkehrsgesellschaft eine große Bedeutung zur Erschließung des S-Bahnhofs Johanneskirchen beimessen. Gegner halten das rund 63 Millionen Euro teure Projekt für überflüssig. Die MVG würde die Tram allerdings gerne schon 2027 in Betrieb nehmen. In der Vorlage wird deshalb eine alternative Finanzierung durch eine Vorfinanzierung durch die Stadtwerke und Mittel aus dem Klimaschutzpaket vorgeschlagen.

Ohne Verzögerung soll auch die Tram Münchner Norden zum Neubaugebiet in der ehemaligen Bayernkaserne realisiert werden. Der erste Abschnitt von Schwabing Nord bis zum Kieferngarten soll bereits Ende 2027 fertig sein. Um die Finanzierung zu sichern, sollen Mittel aus der Stellplatzablöse locker gemacht werden.

Auch die künftigen Betriebshöfe für die Tram an der Ständlerstraße und für die U-Bahn in Neuperlach Süd sollen ohne Verzögerungen realisiert werden. Deutlich gespart werden könnte dafür bei der Park-and-Ride-Anlage an der Aidenbachstraße. Die soll abgerissen und neu gebaut werden, auf dem Dach ist eine Schulsportanlage vorgesehen. Sollte es keinen Sportplatz geben, würde sich die Stadt 16 Millionen Euro sparen.

Vorläufig vom Tisch ist die Tram-Nordtangente, nachdem der Freistaat im Frühjahr 2024 seine Zustimmung für eine Trasse durch den Englischen Garten verweigert hat. Doch die Stadt und die MVG sehen das Projekt derzeit nur „auf Eis“, hoffen aber, dass sie irgendwann doch kommen kann. Elf Millionen Euro können so bis 2027 gespart werden, die weiteren Kosten für Planungen werden auf die Zeit danach verschoben.

Jegliche Verlangsamung von Ausbauzielen und Angebotsverbesserungen im ÖPNV wirke den Bestrebungen einer Verbesserung der lufthygienischen Situation in München entgegen, teilt die Verwaltung mit. Wenn das sozialverträgliche Mittel einer Schaffung alternativer Angebote zum motorisierten Individualverkehr verschleppt werde, heißt es weiter in der Vorlage,„kann die Ergreifung von disruptiven Maßnahmen, wie Fahrverboten, erforderlich werden, ohne dass zeitgleich ein attraktives Alternativangebot im ÖPNV vorhanden ist. Somit sollte aus dem Blickwinkel der Lufthygiene an den Zielen zum Ausbau des ÖPNV dringend festgehalten werden.“ Doch die Jahre, in denen hoffnungsfroh immer neue Verkehrsprojekte geplant werden konnten, scheinen vorbei. Die Stadtkämmerei mahnt auch für die Zeit nach 2027 „höchste Ausgabendisziplin“ an.

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