Geschäftsaufgabe:Tradition zählt nicht: Trachtenschneiderei am Jakobsplatz muss schließen

Lesezeit: 2 min

Ursula Fröhmer hat den Laden von ihrem Vater übernommen, 41 Jahre ist das nun her. Ende Dezember soll Schluss sein - ihr Vermieter will es so. (Foto: CSU-Fraktion)

Vor 41 Jahren hat Ursula Fröhmer das Geschäft "Tracht und Heimat" von ihrem Vater übernommen. Nun kam die Kündigung und sie verliert mehr als nur den Laden.

Von Ekaterina Kel

Überrascht war Ursula Fröhmer nicht, als sie am 30. Juni die Kündigung im Briefkasten fand. Schließlich ist dieses Jahr wieder das Oktoberfest ausgefallen. Zudem sind viele Hochzeiten abgesagt worden. Das Geschäft mit den maßgeschneiderten Trachten, das sie unter dem Namen "Tracht und Heimat" am Oberanger 9 direkt am Jakobsplatz betreibt, hat in der Corona-Krise gelitten. Einen Teil der Oktobermiete habe sie deshalb auch nicht gleich zahlen können, erzählt Fröhmer. Und es habe auch schon Gespräche mit dem Vermieter gegeben.

Nun steht das Geschäft mit hauseigener Schneiderei kurz vor dem Aus. Zum 31. Dezember muss Fröhmer ihren Laden auf zwei Stockwerken aufgeben. Und nicht nur den Laden, auch ein Stück Identität. Denn hier sei sie geboren und aufgewachsen, erzählt sie. Vor 41 Jahren habe sie dann das Geschäft von ihrem Vater übernommen, das damals noch Brautmode anbot. "Wenn ich daran denke, dass ich das bald alles ausräumen muss, graut es mir", sagt die 73-Jährige.

Wirtschaft in München
:Aus Überzeugung nachhaltig

Ökologisch und vernünftig leben? Das wollen viele und schaffen eher wenige. Fünf Beispiele, wie Gründer ihre Ideen umsetzen und Unternehmer ihre Betriebe komplett umkrempeln.

Von Catherine Hoffmann und Jakob Wetzel

Ein Traditionsbetrieb mitten in der Stadt, dem man gekündigt hat? Stadtrat Thomas Schmid (CSU) nennt das eine "riesengroße Sauerei". Man nehme Fröhmer "nicht nur den Arbeitsplatz, sondern auch die Heimat". Es sei für ihn eine "Herzensangelegenheit", sich für den Erhalt des Ladens einzusetzen, besonders da es sich um ein Trachtenmodegeschäft handelt, das "identitätsstiftend" sei. Schließlich hat Fröhmer 2018 sogar die "Ehrenmedaille für Verdienste um die Volkskultur in München" erhalten. Er sei "schwer enttäuscht" vom Vermieter, der dem Laden gekündigt habe, um, so vermutet Schmid, nach einer Sanierung das Vielfache der Miete verlangen zu können. Auch Fröhmer berichtet, dass in einem Gespräch mit dem Vermieter der Satz gefallen sei, dass man renovieren wolle, um danach eine höhere Miete verlangen zu können.

Der Vermieter ist die Orag eG Bayerische Schneidereigenossenschaft, ansässig im selben Haus. Das Gebäude heißt sogar Orag-Haus und die Genossenschaft hat einen eigenen Laden dort. Ute Graf, eine der beiden Vorstände, bestätigt auf Nachfrage, dass eine Kündigung des Geschäfts von Ursula Fröhmer zum Ende des Jahres vorliegt. Jedoch wolle sie sich derzeit nicht weiter dazu äußern, so Graf.

Sonntag bis Freitag
:München heute - der München-Newsletter

Jetzt den Newsletter abonnieren!

Seit der Kündigung habe sie kein Wort mehr mit den Besitzern gewechselt, so Fröhmer. "Ich geh' und fertig." Außerdem sei sie sofort aus der Genossenschaft ausgetreten. Natürlich seien die Geschäftsräume sanierungsbedürftig, bestätigt sie. Und ja, natürlich habe auch sie nicht mehr ewig weitermachen können, schließlich werde sie im Januar 2023 ihren 75. Geburtstag feiern. Sie habe die Vermieter aber darum gebeten, bis Dezember 2022 bleiben und noch das Oktoberfest mitmachen zu können. Aber dieses zusätzliche Jahr soll sie jetzt nicht mehr bekommen.

Stadtrat Schmid hat nun einen Antrag initiiert, um den Laden zu retten. Das Kommunalreferat möge ein Schutzprogramm entwickeln, um Traditionsbetriebe wie "Tracht und Heimat", denen gekündigt wird, alternative Räumlichkeiten in einer der städtischen Immobilien anbieten zu können. Ob das dann "finanziell und kräftemäßig" noch machbar sei, könne sie noch nicht sagen, so Fröhmer.

© SZ vom 14.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusLudwig Beck-Chef Christian Greiner
:"München hat den Schuss oft nicht gehört"

Christian Greiner, Chef des Traditions-Kaufhauses Ludwig Beck, wirft der Politik im Kampf gegen Corona Einfallslosigkeit vor. Ein Gespräch über Einkaufen in und nach der Pandemie.

Interview von Catherine Hoffmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: