Als das Virus kam, wusste Uta Rausch: Dieses Jahr wird wie kein anderes. Vor knapp acht Monaten war sie mit ihrem Lebensgefährten Hizir Kocaman und Sohn Milan in Salzburg auf der Trachtenmesse "Tracht & Country". Sie präsentierten dort ihre Trachtenkollektion, knüpften Kontakte mit Kollegen und Kunden. Doch die Atmosphäre im Messezentrum war angespannt. "Viele Aussteller sind weggeblieben", sagt Uta Rausch. "Ich habe da eine Vorahnung gehabt." Eine Woche später räumte die Familie ihren Laden in der Ruppertstraße leer, kurz darauf mussten alle Läden bis auf Lebensmittelgeschäfte und Apotheken wegen Corona schließen. Der Frühjahrs-Lockdown traf das kleine Familienunternehmen Trachtenrausch mit voller Wucht.
Doch Uta Rausch und Hizir Kocaman reagierten schnell: Sie nähten nun Masken. Wochenlang gab es in München viel zu wenige Mund-Nasen-Bedeckungen. "Wir haben herumtelefoniert, wer Masken braucht", erinnert sich Uta Rausch. Wenige Tage später kam der erste Großauftrag: Die Biomarkt-Kette Vollcorner orderte 5000 Baumwollmasken aus Trachtenstoff, später bestellten unter anderem auch die Stadtwerke München bei Trachtenrausch Masken.
Neueröffnungen:"Die Krise ist nur eine Durststrecke"
Eigentlich ist dieses Corona-Jahr kein guter Zeitpunkt, um einen neuen Laden zu eröffnen. Drei Münchner erzählen, warum sie es trotzdem gewagt haben.
Hizir Kocaman hatte für die Aufträge eigens Industrienähmaschinen gekauft. Uta Rausch stellte Schneiderinnen ein, "wir haben ein bis zwei Monate lang nur genäht", von früh morgens bis spät am Abend. Doch dann wurde der Markt mit billigen chinesischen Schutzmasken überschwemmt, die Nachfrage an den bunten Trachtenrausch-Masken ging zurück.
Bald kam der nächste Schlag: Das Frühlingsfest auf der Theresienwiese wurde abgesagt, ebenso das Tollwood, wo Kocaman und Rausch seit vielen Jahren Stände hatten und zunächst selbst gefertigte Weihnachtssterne und dann eben auch Dirndl, Lederhosen und Trachten-Accessoires verkauften. Es war ein einträgliches Geschäft - doch in diesem Jahr sollte es einfach nicht sein.
Im Frühsommer mietete die Familie sogar noch zwei kleine Ladengeschäfte an der Hermann-Lingg-Straße nahe der Theresienwiese an, schließlich stand das Oktoberfest vor der Tür. "Das hatten wir gezielt für die Wiesn gemietet", sagt Uta Rausch. Die kleine Straße ist eine der Einfallschneisen der Festbesucher. Deshalb wurde der zweite kleine Laden nebenan auch noch angemietet. Dort gibt es Tabak, Bier und Wein zum Mitnehmen, eigentlich ein sicheres Geschäft mit der Laufkundschaft. Doch bekanntlich wurde die Wiesn ebenso gestrichen wie nun die Weihnachtsmärkte in München, wo Rausch und Kocaman in den vergangenen Jahren an verschiedenen Ständen vor allem die selbst gefertigten großen, bunten Weihnachtssterne aus handgeschöpftem Papier verkauft hatten.
Es ist ohnehin kein einfaches Geschäftsmodell der Unternehmerfamilie: Weihnachtssterne verkaufen sich eben nicht im Hochsommer, Dirndl und Lederhosen gehen vor allem vor der Wiesn und dem Starkbierfest am Nockherberg. "Es hilft uns ja nichts, wenn wir im Januar Papiersterne verkaufen können", sagt Uta Rausch. Die Absage der Weihnachtsmärkte kommt für sie einem Berufsverbot gleich, ähnlich wie bei den Gastronomen.
"Jetzt leben wir nur noch vom ersparten Geld", sagt Uta Rausch, die früher als Erzieherin gearbeitet hat. Schausteller gehören ihrer Meinung nach "einer verlorenen Branche" an. Sie hätte sich von der Politik einen faireren Umgang gewünscht. Vom "Sommer in der Stadt" konnte die Familie nicht profitieren. Und von den Hilfspaketen, die die Regierung geschnürt hat, hat die Familie nach eigener Aussage auch nichts. Im Gegenteil: Ihre Lagerbestände an Trachten und Weihnachtssternen seien ja potenziell ein Gewinn, selbst wenn sie nichts verkaufe.
Doch aufgeben will die Familie nicht. Jetzt setzt sie auf Online-Handel, seit einigen Wochen gibt es auf der Homepage trachtenrausch.com einen Link zu den Dirndl-Masken. Um die Internet-Präsentation kümmert sich Sohn Milan Rausch. Die vergangenen Monate seien eine Art "Zwangsdigitalisierung" für das Unternehmen gewesen, sagt er. Bislang half er nebenbei auch noch im Kiosk "Hermann's 7" an der Hermann-Lingg-Straße aus. Doch seit wenigen Tagen ist der wieder geschlossen, nur das Schneideratelier nebenan hat noch offen. "Der Kiosk bringt kein Geld", sagt Hizir Kocaman. Mit den wenigen Einnahmen habe er gerade so die Mietkosten hereingeholt. Für Uta Rausch war auch etwas anderes für die Schließung des Kiosks ausschlaggebend: Das Geschäft mit der Laufkundschaft war der Familie, die ihren Lebensunterhalt nun vor allem mit der Herstellung und dem Verkauf von Trachtenstoffmasken bestreitet, zu riskant - viele Kunden trugen keinen Mundschutz.