Süddeutsche Zeitung

München:Tops und Flops

Ein Blick auf die einzelnen Wahlergebnisse in den 29 Städten und Gemeinden des Landkreises zeigt: SPD und Grüne gewinnen überall, die CSU und ihr Kandidat verlieren, bleiben aber durch die Bank die Nummer eins

Von Sabine Wejsada

Der Montag nach der Wahl ist ein wahres Fest für jeden Zahlenfreak und jede Statistikfreundin: Wer hat wo am meisten verloren oder gewonnen? In welchen Kommunen hat Kandidat A die meisten Anhänger und Kandidat B so gar nicht landen können, während Kandidat C sein Niveau gegenüber 2017 mehr oder minder halten konnte? Gibt es überhaupt noch Hochburgen für eine Partei oder verteilt sich die Wählergunst in weiten Teilen auf das ganze Spektrum? Da lohnt sich der Blick auf die Wahlergebnisse vom Sonntagabend im Landkreis München, in dem die Menschen seit vielen Jahren sehr fleißig von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.

Klassenprimus war am Sonntag wieder die kleine Gemeinde Baierbrunn: Mit sage und schreibe 90,8 Prozent hat sie die höchste Wahlbeteiligung in ganz Deutschland. Auch die landkreisweite Quote von 84,7 Prozent ist deutschlandweit spitze. Kein anderer Landkreis und keine Stadt kommen auf einen höheren Wert. Zudem fiel in keiner der 29 Städte und Gemeinden im Wahlkreis München-Land die Beteiligung am Sonntag unter 80 Prozent; mit 80,2 Prozent lag sie in Haar und Oberschleißheim zwar am niedrigsten, aber immer noch über der Grenze. Von Politikverdrossenheit kann im Speckgürtel der Landeshauptstadt daher keine Rede sein.

Doch ziemlich CSU-müde sind die Wähler geworden. 4,7 Prozent büßte die Partei gegenüber 2017 ein, ihr Kandidat Florian Hahn, der seit 2009 zum vierten Mal das Direktmandat gewann, 4,4 Prozent. Selbst an seinem Wohnort verlor der Platzhirsch aus Putzbrunn mehr als sechs Prozent der Erststimmen. Dennoch ist der im Wahlkreis Omnipräsente immer noch beliebter als die Christsozialen insgesamt. Laut Gesamtergebnis sind seine Zustimmungswerte um 6,6 Prozentpunkte höher. Die meisten Erststimmen holte Hahn mit 53,4 Prozent in Grünwald, die wenigsten in Neubiberg, Planegg, Unterföhring und Unterhaching mit 33,2 bis 34,7 Prozent.

Mit 39,1 Prozent der Erststimmen hat der 47-Jährige weit besser abgeschnitten als Söder und die CSU in Gänze, die im Freistaat mit 31,7 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 einfuhr. Sogar in Pullach, der einzigen grün regierten Gemeinde im Landkreis, überflügelte Hahn mit 43,9 Prozent der Wählerstimmen seinen nächsten Kontrahenten, den prominenten grünen Fraktionschef Anton Hofreiter (21,7 Prozent) bei weitem. Der Ober-Grüne aus Unterhaching holte die besten Ergebnisse mit jeweils 24,9 Prozent in den Isargemeinden Baierbrunn und Schäftlarn. Er und seine Partei haben in München-Land zwar mit 20,4 Prozent (plus sechs Prozent) beziehungsweise 18,6 Prozent (plus 6,7 Prozent) ihre bislang besten Ergebnisse bei einer Bundestagswahl erzielen können; zu mehr als zur zweiten Kraft im Landkreis München hat es aber dann doch nicht gereicht.

Wer am Sonntagabend die SPD im Landkreis beobachtet hat, der hätte angesichts des Jubels meinen können, die Partei habe die Wahl haushoch gewonnen. Doch das ist nicht der Fall. Die Genossen sind mit 17,3 Prozent der Zweitstimmen nur dritte Kraft und gerade einmal 3,2 Prozentpunkte stärker als vor vier Jahren. Dass sich Ergebnisse jedoch manchmal so anfühlen, als könne nichts und niemand das Wässerchen trüben, ist nicht zuletzt der langen Leidenszeit geschuldet, welche die Genossen - nicht nur, aber auch im Landkreis - in den vergangenen Jahren hinter sich haben. Der allseits guten Stimmung im SPD-Lager keinen Abbruch getan hat daher auch, dass ihr Direktkandidat Korbinian Rüger ein Mandat in Berlin klar verpasste und gegenüber seiner Vorgängerin Bela Bach landkreisweit sogar ein Prozentpünktchen verlor. Den meisten Zuspruch hat der 32 Jahre alte Rüger erwartungsgemäß in seiner Heimatgemeinde Planegg erfahren: Mit 20,7 Prozent ließ er dort sogar den bekannten Grünen Hofreiter um 0,1 Prozentpunkte hinter sich. Auf annähernd 20 Prozent kamen die Sozialdemokraten in städtisch strukturierten Orten wie Garching, Haar, Neuried, Oberschleißheim, Unterhaching und Unterschleißheim.

Dass Grünwald mit mehr als 50 Prozent für Hahn nicht nur als einzige richtige CSU-Hochburg verblieben ist, sondern dass die Menschen dort auch besonders häufig die Liberalen wählen, hat sich nach Auszählung der Stimmen bestätigt: Die FDP holt in dem Villenvorort mit 24,4 Prozent der Zweitstimmen ihr bestes Ergebnis im Landkreis. Ansonsten hat die Partei in der Gesamtschau Federn lassen müssen - wenn auch nicht so massiv wie die CSU. Die Verluste halten sich mit 0,9 Prozentpunkten allerdings in engen Grenzen. Vor vier Jahren hatte ein ähnliches Ergebnis aber dazu gereicht, im Landkreis zweitstärkste Kraft hinter der CSU und vor SPD und Grünen zu werden.

Und die Freien Wähler? Sie haben ihr Ergebnis von 2017 zwar verdoppeln können. Mit 3,8 Prozent fällt die Gruppierung aber unter die Kategorie "ferner liefen". Nur im ländlich geprägten Aying konnte die Aiwanger-Truppe mit 7,6 Prozent der Wählerstimmen punkten, in Gräfelfing dagegen langte es nur für magere 2,5 Prozent.

Die AfD verlor durch die Bank und landete überall klar im niedrigen einstelligen Bereich, mit Ausnahme von Aying und Brunnthal, wo die Rechten auf 7,1 und 7,6 Prozent kamen. Landkreisweit reichte es gerade einmal nur noch für 5,3 nach 9,4 vor vier Jahren. Am wenigsten mit der AfD am Hut haben die Wähler in Gräfelfing und Straßlach-Dingharting; dort wählten nur 3,7 beziehungsweise 3,9 Prozent ganz rechts.

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SZ vom 28.09.2021
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