Süddeutsche Zeitung

Olympiapark:Zurück zu den Wurzeln des Tollwood-Festivals

Das Konzept während der Corona-Pandemie erinnert an die frühen Anfänge. Wie sich das erste Tollwood-Wochenende im Olympiapark anfühlt - und was man bei einem Besuch beachten muss.

Von Tom Soyer

"Mut" steht da in dreidimensionalen Riesenbuchstaben auf einem Sockel, "Wir alle" auf einem anderen - und Adam Stubleys gut mannshohe Stahl-Buchstaben drücken ganz gut aus, worum es bei dieser deutlich abgespeckten Variante des Tollwood-Festivals geht: Um den Mut, dieses Kultur- und Umwelt-Spektakel mit allen Corona-Beschränkungen stattfinden zu lassen, und um das herrlich entspannte Miteinander, von dem alle begeistert sind.

"Wie zu Tollwood-Anfangszeiten", so schwärmen nicht nur Hippie-Nostalgiker, sondern Besucher und Macher. Es ist das häufigste Prädikat und straft Skeptiker Lügen, die befürchtet hatten, ein eingezäuntes Sommer-Tollwood ohne große Musik-Arena und ohne das immer noch recht große Andechser-Musikzelt sei vielleicht doch nur ein enttäuschender Abklatsch. Tollwood ist weiterhin eine lebensfrohe Münchner Attraktion im Olympiapark.

Klar, um reinzukommen, braucht man diesmal entweder ein Attest ("Corona-genesen"), ein Impfbuch mit der abgeschlossenen Komplett-Impfung oder den Nachweis eines höchstens 24 Stunden alten, negativen Corona-Tests. Das wird am Einlass streng kontrolliert, wo alle Besucher per App (Luca oder darfichrein.de ) registriert werden. Maximal 3000 Menschen dürfen aufs weitläufige Gelände, die Eingangs-Ampel wird auch auf der Tollwood-Homepage im Internet angezeigt. Wer mit Test rein will, kann direkt dort ins Testzelt der "Alpharetter" - muss aber Wartezeiten in Kauf nehmen. 850 Gratis-Tests waren es laut Einsatzleiter Sascha Jenisch am Freitag, gut 1000 am Samstag. Jenisch lobt das Tollwood-Konzept - und die Masken-Disziplin der Besucherinnen und Besucher.

Hat man den Einlass hinter sich, wird's entspannt und geräumig. Das Tollwood 2021 rangiert irgendwo zwischen 1988, als alles mit 20 Ständen begann (einer davon hatte sogar Telefon!), und den zuletzt gefühlt 270 Ständen vor Corona. Vorteil: Es schieben sich garantiert keine Massen durch die Gassen. Oder, um es mit Claudia Müller vom Afrika-Klamotten-Stand "Akwaba" zu sagen: "Die Leute sind dankbar, und ich hab wieder mehr Zeit für die Menschen, wie früher! Es gibt wieder mehr Festival-Flair." Weniger Leute am Stand bedeuteten zwar vermutlich auch, dass weniger gekauft werde. Aber Claudia Müller genießt auch das Persönliche. Eine junge Kundin fragt sie gerade nach dem dunkelroten Kleid, das sie selbst anhat. "Kann ich Ihnen verkaufen, hatte ich nur ganz kurz an..." Persönlicher, eben.

Straßenmusik mit Banjo gibt es auch. "Deine Gitarre hat ja gar kein Loch!", ruft ein kleiner Bub dem Musiker zu, und der erklärt gleich, dass das Banjo "im Prinzip ein Kürbis mit klingendem Tierfell" sei, ohne Loch. Beide strahlen sich an, und Titus Waldenfels, eine Münchner Jazzgitarristen-Größe, spielt das nächste Lied zusammen mit Sängerin Petra Lewi an der Ukulele und an der singenden Säge.

Waldenfels und Lewi tingeln durchs Gelände, spielen mal da auf einer Parkbank "These boots are made for walking", mal auf Biergartenstühlen neben einer Familie, die im Baumschatten picknickt, den Spliff-Song "Carbonara". Seit 20 Jahren jazzt Waldenfels für großes Publikum im Andechser Zelt. Große Bühnenzelte gibt es diesmal nicht. Als er am Donnerstag angerufen wurde, sagte er spontan zu für eine "mobile Bühne, ohne Strom". "Macht uns Spaß", sagt das Duo. Wer den Mann an Banjo und Gitarre doch im Tollwood-Konzert erleben mag, kann das Titus-Waldenfels-Trio am 2. August um 19 Uhr auf der Biergartenbühne des "Hacker-Pschorr-Brettls" hören. Gratis, mit Folk, Jazz und Country.

Bambus-Saxofone, Weltmusik-Konserven, Kork-Kunst oder auch frische Kokosnussmilch zaubern auch beim kleinen Tollwood ein bisschen Exotik in den Olympiapark. Sonja Schlederer, die ihre Kokosnüsse mit einem scharfen Beil teilt, auf das ein riesiger Gummihammer niedersaust, ist selig, dass sie wieder Publikum hat. "Läuft besser als erwartet, die Leute sind nett, super!" Janine Jaeggi und ihre Stelzen-Art-Gruppe aus Bremen läuft in fantastischen Gewändern herum und zaubert märchenhafte Atmosphäre, und auf dem Hacker-Brettl rappt im gechillten Biergarten "Monaco F" mit harten Beats und gemütlichen Zithermelodien über eine Hopfen-Aromatherapie. Alles anders, heuer, und doch vieles wie immer.

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SZ vom 05.07.2021/van
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