Tischgespräche im Gasteig HP8:Gut gesättigt

Tischgespräche im Gasteig HP8: Bei den Tischgesprächen resümierten die Teilnehmer auch das eigene Leben, weswegen sie letztlich auch erstaunlich viele private Details von sich preisgaben.

Bei den Tischgesprächen resümierten die Teilnehmer auch das eigene Leben, weswegen sie letztlich auch erstaunlich viele private Details von sich preisgaben.

(Foto: Robert Haas)

Im Rahmen des Flower-Power-Festivals treffen sich im Gasteig HP8 viele Menschen zu Tischgesprächen. Das Essen, so lecker es auch ist, wird schnell zum Beiwerk, das lediglich die Gespräche strukturiert. Das ermöglicht sogar philosophische Betrachtungen.

Von Dirk Wagner

Es gibt Fragen, mit denen enden Gespräche schon, bevor sie starten. Trotzdem begegnen sie einem nicht nur im Münchner Nachtleben unangenehm häufig. Fragen nach der Herkunft zum Beispiel, nach dem Beruf und nach der ungemein vielsagenden Auskunft darüber, ob man öfter in diesem Club verkehre. Die Fragen, die sich 34 fremde Menschen während eines veganen Vier-Gänge-Menüs am Aschermittwoch im Gasteig HP8 stellten, waren da spannender. Allerdings wurden ihnen die Fragen auch in einer Menükarte für Tischgespräche vom Stadtforscher und Journalist Eugene Quinn vorformuliert. Vorab hatte er die Gäste in möglichst unterschiedliche Paare aufgeteilt. Tatsächlich möchte Quinn, dass Menschen, die es gewohnt sind, über soziale Foren im Internet nur noch mit Gleichgesinnten zu kommunizieren, sich aus der eigenen Blase befreien.

Nun waren die Teilnehmer an diesem im Übrigen schnell ausgebuchten Tischgespräche-Abend nicht so unterschiedlich, wie es Quinn in seiner Wahlheimat Wien gewohnt ist. Eher willkürlich suchte er darum die Paare aus, die sich sodann an kleinen gedeckten Tischen im Foyer des Gasteigs gegenübersaßen und deutlich interessierter am Fragen-Menü als an der Speisekarte waren.

Das Essen, so lecker es auch war, wurde schnell zum Beiwerk, das lediglich die Gespräche strukturierte. Denn auch das an den Tischen ausgelegte Fragen-Menü, aus denen man gemeinsam oder abwechselnd die Fragen aussuchte, war in vier Gänge unterteilt: Vorspeisen, Hauptgerichte, Dessert und Kaffee. Da es aber mit dem Salat und der Suppe gleich zwei Vorspeisen gab und letztlich keinen Kaffee nach dem Dessert, wird der Autor dieser Zeilen nie erfahren, ob sein Gegenüber Macht oder Blumen wichtiger gefunden hätte. Weil das Tischgespräch im Zuge des Flower-Power-Festivals stattfand, hatte Quinn seine dem Buch "Eine intime Geschichte der Menschheit" von Theodore Zeldin entnommenen Fragen entsprechend angepasst.

Wie man junge Menschen dazu bewegen könnte, ökologischer zu leben, hätte man also fragen können. Was witzig ist, weil es doch eigentlich die jungen Menschen sind, die in Friday-for-Future-Demonstrationen und mit kontrovers diskutierten Aktionen permanent darauf hinweisen, dass alle ökologischer leben müssen. Andere Fragen ermöglichten sogar philosophische Betrachtungen. Immer wieder wurde dabei auch das eigene Leben resümiert, weswegen man letztlich auch erstaunlich viele private Details von sich preisgab und vom Gegenüber erfuhr. Unerwartet plötzlich waren so mehr als zwei Stunden vergangen, als die Tischgespräche offiziell beendet wurden.

Wie erreicht man möglichst unterschiedliche Menschen?

Zwar hätte man danach noch verweilen dürfen, doch eine allgemeine Aufbruchstimmung leerte das Foyer recht zügig. Sie müsse noch nach Rosenheim fahren, begründete das eine Teilnehmerin. Andere fühlten sich gesättigt vom guten Tischgespräch, wie sie betonten, und gingen beglückt nach Hause. Ob daraus nun dauerhafte Freundschaften entstehen, ist zweitrangig. Hannah Kienle, die als Volontärin im Gasteig die Tischgespräche mit Eugene Quinn im Haus veranstalten durfte, sieht sich von einem Gespräch inspiriert, das sie selbst einmal mit einem älteren Herrn in einem Café geführt hatte. Das war kein Flirt, sondern ein spannender Gedankenaustausch, den sie nun auch anderen Menschen ermöglichen mag. Für weitere Tischgespräche im Gasteig überlegt sie darum, wie sie künftig unterschiedlichere Menschen als im Pilotprojekt erreicht. Für Quinn vorstellbar wäre eine englischsprachige Variante, um ein internationales Publikum zu erreichen. Kienle fände auch eine Begegnung mit Asylsuchenden im Rahmen der Tischgespräche gut. Bereichernd sind diese in jedem Fall.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: