Bei Sabine Gallenberger ist - salopp gesagt - die Bude voll: Die Münchnerin betreibt eine Auffangstation für Wildtiere. Hier tummelt sich pelziges, putziges Getier: In einem Gehege sitzen Feldhasen-Junge, in einem Käfig klettern Eichhörnchen munter umher und in mehreren Tierboxen schlummern in kuschligen Stoffnestern zahlreiche Siebenschläfer. Im Garten steht eine große Voliere, in der ebenfalls Eichhörnchen herumturnen.
Eine besondere Tierfamilie hat Sabine Gallenberger aus Platzgründen bei ihrer Mutter Heidi untergebracht. In einem Käfig hat sich dort eine Siebenschläfer-Mama mit ihren acht Jungen in ein Nest verkrochen. Während die Kleinen sich mit ihrem langen Schwanz umwickelt zur Ruhe gebettet haben, hat das Muttertier die Menschen fest im Blick. Käme ihren Kleinen jemand zu nahe, würde es ordentlich angreifen, sagt Sabine Gallenberger.
Die Siebenschläfer waren im Juli im Badezimmerschrank einer Familie in München aufgetaucht. Das Muttertier hatte sich eine Schublade als Nest ausgesucht und es sich und ihren Jungen zwischen Waschlappen bequem gemacht. Die Bewohner hatten ein Piepsen aus dem Schrank gehört, sich aber nicht getraut, die Schublade zu öffnen, berichtet Nikola Snjaric, hauptamtlicher Gerätewart der Feuerwehr in Unterschleißheim. Mit Kollegen habe er die Tiere samt Lappen dort abgeholt.
In einer Box brachte er sie zunächst zur Feuerwache und dann zum Verein Wildtierwaisen-Schutz der Gallenbergers. Kein alltäglicher Einsatz, wie Snjaric sagt. Mit Schwänen, Igeln, Katzen, Gänsen und Vögeln hätten sie öfter zu tun. Ab und an müsse auch ein Reptil eingefangen werden. Meist seien Tierrettungen erfreuliche Einsätze - sofern man nicht erst zum letzten Atemzug einer angefahrenen Katze komme.
Sabine und Heidi Gallenberger haben schon viel Tier-Elend gesehen. Vor allem von Häusern und Balkonen abgestürzte Eichhörnchen seien teils schwer verletzt. Die zweite Vorsitzende des Vereins ist Tierärztin und kann die schweren Fälle behandeln. Knochenbrüche würden zum Beispiel geschient. Aber Sabine Gallenberger hat sich im Laufe der Jahre ebenfalls viel Fachwissen angeeignet. So viel, dass sie Schulungen gibt, etwa für externe Pflegestellen.
Die 41-Jährige und ihre Mutter sind mit Füttern voll beschäftigt. Die Mama kümmert sich in ihrer Wohnung gerade um einige Eichhörnchen. Eines der Kleinen umklammert mit seinen Pfötchen die Spritze, aus der es Milch trinkt. Dabei hat es sich sein Schnäuzchen vollgekleckert. Vor 16 Jahren habe sie mit dem Aufpäppeln eines Eichhörnchens angefangen, sagt Heidi Gallenberger, 68. Seither habe sie das Schicksal der Wildtiere nicht losgelassen. Sie habe Mitgefühl, und es gebe ohnehin viel zu wenige Stellen, wo verletzte Wildtiere versorgt würden. Staat und Stadt sähen sich leider nicht in der Verantwortung, kritisiert sie. Und das, obwohl viele der Tiere geschützt seien.
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Sabine Gallenberger hat inzwischen in ihrer Küche Früchte klein geschnitten. Obst sei die Leibspeise der größeren Siebenschläfer. Als sie Erdbeeren, Apfelstücke und Heidelbeeren in einen Käfig legt, schlüpfen fix fünf Siebenschläfer aus ihrem Nest und stürzen sich auf die süßen Leckereien. Während sie knabbern, füttert Sabine Gallenberger Siebenschläfer-Babys. Die Winzlinge strecken sich in ihrer Hand, lassen sich an ihren Bäuchlein kraulen und schlucken gierig Milch aus einer Spritze.
Dass die Tierfamilie aus dem Badezimmerschrank überlebt hat, freut die 41-Jährige besonders. Noch in diesem Herbst soll sie ausgewildert werden. Hierfür sucht Gallenberger einen geeigneten Ort. Ideal wäre eine Obstwiese an einem Waldrand samt Scheune oder Bretterverschlag, in dem die Tiere Futtervorräte verstecken und frostfrei überwintern könnten. Auch gut wäre, wenn jemand in der Anfangszeit ab und an nach den Tieren sehen und ihnen noch etwas Futter bringen könnte.
In diesem Sommer seien schon mehr als 80 Siebenschläfer bei ihr abgegeben worden. Im August und September bekämen die Weibchen Junge und machten dann meist etwas mehr Lärm als sonst. Wenn sie sich in Häusern oder Kellern eingenistet hätten, fielen sie dann meist den Bewohnern auf, die sie einfingen und aussetzten. Das sei für die Jungen dann oft ebenso ein Todesurteil wie für das Muttertier. Die Jungen würden nicht mehr versorgt und das ausgewachsene Tier finde sich an einem fremden Ort nicht zurecht und suche zudem seine Jungen.
Die Betreuung der Tiere ist für Sabine Gallenberger fast ein Rund-um-die-Uhr-Job. Für Medikamente und Futter sei der Verein auf Spenden angewiesen. Manchmal bekämen sie auch Geld von Sponsoren. Die Pflege der Tiere macht sie ehrenamtlich und sagt: "Wir sind in unserer Familie schon immer tierlieb gewesen."