Tierpark Hellabrunn:Beim Meckern ganz alleine

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Im renovierten Streichelzoo müssen sich die Tiere erst zurechtfinden. Es gibt jetzt einen afrikanisch roten Boden aus Ziegelmehl, außerdem jede Menge Holzbauten, unter anderem ein Baumhaus. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Tierpark Hellabrunn hat seinen Streichelzoo renoviert. Bis auf 44 Afrikanische Zwergziegen darf das Gelände allerdings im Moment wegen der Corona-Pandemie noch keiner nutzen.

Von Philipp Crone

Da kommt doch keiner hoch. Vor allem keine Ziege. Die Treppenstufen, die auf der Streichelzoo-Anlage zu einer Art Baumhaus führen, sind 60 Zentimeter hoch. Eine knappe Ziegenhöhe. Doch diese hochgelagerte Holzhütte ist exklusiv für die Tiere gebaut worden, sie erreichen es über einen Bereich, der ihnen alleine vorbehalten ist. Und damit das auch Kinder verstehen, gibt es eigene Schilder.

Um das Verstehen geht es ja hier auch in erster Linie. So wie das in Hellabrunn schon seit den Siebzigerjahren am Isareingang ist: Ziegen im Streichelgehege anfassen, erleben und davon lernen. Bei der Vorstellung der 1225 Quadratmeter großen neuen Streichelzoo-Anlage sagt Tierpark-Chef Rasem Baban, warum der Zoo dafür 300 000 Euro ausgegeben hat: Damit Kinder, die heute ja immer weniger Berührungspunkte zur Natur haben, lernen können. "Das geht bei diesen domestizierten Tieren wunderbar." Und es gibt einiges zu lernen, nicht nur die Sprunghöhe Afrikanischer Zwergziegen.

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Für rund eine Million Euro hat der Tierpark das Gebäude renovieren lassen. Die Neuerungen muss man trotzdem erst suchen - aber es lohnt sich.

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Zunächst ist ein eher seltenes Phänomen zu sehen am Mittwochvormittag, als zwei Dutzend Pressevertreter durch das Doppeltor auf die Anlage gehen: Die Ziegen weichen zurück. Sie sind erst seit einem Tag auf der Anlage und müssen sich an die neue Situation gewöhnen. Zwei Rückzugsbereiche, die mit Holztoren und Schildern gekennzeichnet sind, drei Hütten und ein Turm, alles aus noch duftendem hellen Kastanien- und Robinienholz gebaut. Selbst die ehrenamtlichen Artenschutzbotschafter in ihren grünen Shirts haben die Ziegen seit Monaten nicht gesehen. Da muss erst mal alles beschnuppert werden. "Man nähert sich Ziegen am besten von vorne, bewegt seine Hände langsam und kann sie dann unten am Hals streicheln", sagt Isolde Kunzfeld, früher Betriebswirtin bei der Allianz, seit drei Jahren im Zoo. "Wenn sie den Kopf wegziehen, muss man das akzeptieren." Kinder würden dabei lernen, sagt die 62-Jährige, dass Tiere einen eigenen Willen haben, wie sie selbst. Der allerdings sehr futtergesteuert ist, wie man an diesem Vormittag sieht.

Früher gab es Futter zu kaufen in Hellabrunn, was dazu führte, dass die Ziegen geradezu auf die Besucher losgingen und in den mitgebrachten Kinderwagen wühlten. Futter gibt es nun keins mehr, und Kinderwagen müssen draußen bleiben, so entspannt sich die Lage, sagt Tierpfleger Alexander Schyma. Die Tiere haben einen für die Besucher nicht zugänglichen Bereich, in dem ein Heu-Häuschen als sogenanntes Esszimmer für sie steht, sie trinken am Ufer des Auer Mühlbachs und sind vor allem glücklich über die vielen neuen Klettermöglichkeiten mit Baumstümpfen oder eben der Treppe zum Baumhaus, sagt der 35-Jährige. Während die Presseschar bereits zum neuen Terrarium für Kurzohrrüsselspringer und Ägyptische Dornschwanzagamen im Giraffenhaus pilgert, steht er noch inmitten der Ziegen und erklärt. "Das Füttern ist gefährlich. Daran können die Tiere sogar sterben." Wenn ein Besucher einfach mal Popcorn aus dem Zoo-Shop verteilt, kann das für die Wiederkäuer lebensbedrohlich sein.

Schyma steht auf einem roten Boden, das ist hydraulisch verdichtetes Ziegelmehl. Rote Böden gibt es oft in Afrika, und dieser Teil des Geozoos an der Isar gehört nun mal zu Afrika. Mit 48 Kubikmetern Beton und genauso viel Frostschutzkies wurde die Grundlage für einen Kinder- und Tierspielplatz gelegt, den auch die Abteilung Spielplätze vom TÜV abnehmen musste. Nur dürfen Kinder bis auf Weiteres noch nicht rein.

Die Anlage ist zwar im Freien, aber das Prinzip des Anfassens ist nicht mit der derzeitigen Corona-Situation vereinbar. Kinder verpassen also, wenn die Ziegen die Treppenstufen hochhüpfen, was laut Pfleger Schyma überhaupt kein Problem für die Tiere ist, die immerhin bis zu 60 Kilo schwer werden können. "Mit Anlauf schaffen die sicher einen Meter." Und von oben können die Tiere sich das dann auch erst einmal in Ruhe ansehen, an diesem Vormittag: Tausende Ziegenkotkugeln auf roter Erde, und kein Mensch weit und breit.

© SZ vom 17.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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