Tierpark Hellabrunn:Zoobesuch mit einer Löwenlänge Abstand

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Haben gelegentlich auch sexuelles Interesse aneinander und leben das sehr ungeniert vor dem Zoo-Publikum aus: die Löwen Max und Benny. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Tierpark Hellabrunn öffnet wieder, erst einmal für wenige Besucher. Tierhäuser und Gastronomie bleiben geschlossen, jeder benötigt ein Papierticket. Ein Rundgang vorab.

Von Philipp Crone

Sie stehen sich etwas irritiert gegenüber. Auf der einen Seite des Zaunes hat sich am Freitagmittag eine Gruppe von Kassiererinnen am Flamingo-Eingang in Hellabrunn eingefunden, auf der anderen Seite steht eine dreiköpfige Familie. Sie schauen auf die leeren Kassenhäuschen, die leinwandgroßen neuen Plakate und vor allem auf das Absperrgitter. Kein Einlass, noch nicht. Und wenn es losgeht an diesem Montag, gibt es einiges zu beachten, auch deshalb sind die Plakate so groß geraten. Zoo-Chef Rasem Baban blickt auf die Szenerie, mit einem konzentrierten Blick, er wirkt erleichtert und nachdenklich zugleich. Endlich geht es los, klar, aber wird das alles klappen wie geplant?

Baban und sein Team haben in den vergangenen Wochen nicht nur die Tiere wie üblich betreut, sie haben vor allem auch Szenarien entworfen und überlegt, wie eine Öffnung aussehen kann. Jetzt ist der Zoo bereit für Besucher, aber erst einmal nur ein Bruchteil dessen, was in Hellabrunn sonst möglich ist. An Rekordtagen kamen schon mal 17 000 Menschen, an normalen bis guten 6000, von Montag an maximal 2185.

"Wir haben die sogenannte Besucherbewegungsfläche ausgerechnet", sagt Baban, dem auch nach vielen Jahren noch sperrige Formulierungen aus seiner Zeit als Architekt gut geläufig sind, und dann eine Besucherzahl, bei der jeder Besucher mit 20 Quadratmetern ausreichend Platz hat. "Wir haben auch erst einmal zu unseren Ungunsten kalkuliert." Der Zoo lässt also weniger Besucher rein, als er wahrscheinlich gedurft hätte. "Wir hätten das Konzept auch gleich auf viel mehr Personen auslegen können, aber dann hätten wir es wahrscheinlich nicht gut koordinieren können."

Babans Idee ist simpel: Ein Start mit wenigen Besuchern, bei dem aber alles so reibungslos läuft, dass schon bald mehr Personen zugelassen werden können und seine Mitarbeiter schon eingespielt sind. Zum Beispiel die Sicherheitsleute und ein sogenannter Notfall-Guide, die im Zoo unterwegs sein werden, um zu helfen und auf die Regeln hinzuweisen.

Die wichtigste Regel ist zoogerecht aufbereitet: Man soll eine Löwenlänge Abstand halten zu anderen, und jeder Jahreskartenbesitzer weiß dann natürlich gleich, wie viel das in Metern ist: zwei.

Das Referat für Gesundheit und Umwelt hat den Plan abgenommen und die Polizeiinspektion 23 sei an diesem Freitag auch noch zur Abnahme da gewesen. Man habe den Zoo gelobt. "Die meinten, dass sie sich so ein Konzept auch mal von einem Fußball-Bundesligaverein wünschen würden." Baban lächelt ganz kurz und geht dann los, vom Flamingo-Eingang vorbei am Affenhaus. Das bleibt geschlossen wie alle anderen Häuser auch. Erst in einem der nächsten Schritte würden dann im Plan von Hellabrunn auch die Häuser wieder geöffnet und mit einer Art Einbahnstraßensystem für die Besucher versehen.

Die Tiere verhalten sich an diesem Freitag, der Ruhe vor einem kleinen Stürmchen, zum Teil noch anders als sonst. Die Flamingos plärren zwar wie immer, dafür sind die Gorillas in der Außenanlage neugierig über jeden, der an der Scheibe vorbeiläuft. Die Graugänse, die sich "den Zoo erobert" haben, wie Baban sagt, werden wohl in den nächsten Tagen von den Besuchern wieder von den Wegen verdrängt. "Die Nyalas sind gerade noch tiefenentspannt", sagt Baban und deutet auf die Antilopen, von denen nur manche müde den Kopf rüberdrehen zu ihm. "Sonst sind die nie so weit vorne am Zaun." Die Nyalas schauen, kauen, liegen, mit locker drehenden Ohren. Von Montag an können sie auch Menschen in einer Schlange beobachten, gegenüber bei den Toiletten. Da sind Markierungen auf dem Boden, drinnen herrscht Maskenpflicht. Ohnehin muss der Besucher einiges beachten und organisieren, bevor er nach Hellabrunn kommen kann in der nächsten Zeit.

Zunächst braucht er ein Ticket. Egal ob Jahreskartenbesitzer oder nicht, "jeder benötigt ein Papierticket". Dieses hat einen Barcode und gilt nur für einen bestimmten Tag. So gewährleistet der Zoo, dass wirklich nur 2185 Besucher pro Tag kommen. Dann benötigt der Gast wahrscheinlich eine Brotzeit, denn die Gastronomiebetriebe bleiben geschlossen, genauso wie die Zoo-Spielplätze. Am Tao-Garten hat es sich ein Pfau auf den gestapelten Biergarnituren gemütlich gemacht und schaut rüber zu den beiden Löwen, die ja bekanntlich zwei Meter lang sind. Baban lässt sich von der lässigen Abhängerei der Großkatzen ein wenig mitnehmen, vielleicht entspannt ihn aber auch der Rundgang, bei dem er sieht, dass alles gut vorbereitet ist.

Am Montagmorgen wird es Security-Personal an den Eingängen geben, auch die Polizei wird da sein, und natürlich Baban selbst. "Wir haben versucht, die Informationen so gut wie möglich zu streuen." Aber trotzdem rechnet er mit einigen, die ohne Ticket kommen und dann aber leider nicht reindürfen.

Von Montag an wird jeden Abend ausgewertet, wie der Tag gelaufen ist, mit Fotos von den verschiedenen Bereichen. Um im besten Fall vielleicht schon eine Woche später mehr Besucher einlassen zu können. Der Zoo hat schließlich bis jetzt durch die Schließung drei Millionen Euro weniger eingenommen. "Pfingsten wird dann sicher unser Stresstest", sagt Baban. Für die Mitarbeiter allerdings nur. Denn für die Tiere bedeutet die Öffnung vor allem mehr Abwechslung und Unterhaltung. "Die haben sich nach zwei oder drei Tagen wieder an die Besucher gewöhnt."

© SZ vom 11.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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