„Parship für den Drill“, so nennt Rasem Baban eins der Projekte, die er vorstellen möchte. Der Drill, das ist eine nomadische Affenart, die im tropischen Regenwald zwischen Nigeria und Kamerun angesiedelt und stark vom Aussterben bedroht ist. Die Gründe für das Umkommen der Art: Wilderei und Zerstörung des Lebensraums durch den Menschen. „Wir schulden dem Drill etwas“, sagt Baban, der Direktor des Tierparks Hellabrunn – nämlich dass die Fortpflanzung schneller vorangehe als das Aussterben. Ein Wettrennen gegen die Zeit, mithilfe des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms, wenn man so will einer Partnerbörse für Affen. Wie das genau funktioniert, dafür müsse er weiter ausholen.
Es ist ein wolkiger Nachmittag im Verwaltungsgebäude des Tierparks, unweit liegen „Flamingo-Eingang“ und Souvenir-Laden, eine Gruppe Kindergartenkinder stapft vorbei. Normales Gewusel an Ausflüglern. „Aber es muss sich etwas ändern im Bewusstsein der Münchner“, findet Baban, zu wenige wüssten über Tierhaltung und Artenschutz in Hellabrunn Bescheid. Zuspruch bekommt er von Verena Dietl, Dritte Bürgermeisterin und Vorsitzende des Aufsichtsrats: „Der Zoo ist eine Bildungseinrichtung“, auch sie selbst sei hier „als Lernende“.
Zoodirektor Baban holt also weiter aus. In der Praxis sehe das Erhaltungszuchtprogramm, die Partnerbörse, so aus: Ausgehend von wissenschaftlichen Analysen der Gene und Ahnen werde ein Tier aus einem Zoo irgendwo in Europa auf Reisen geschickt, um in einem anderen Zoo ein „Match“ zu finden – das passende Männchen oder Weibchen zur Fortpflanzung, um den Genpool zu erweitern und der Art beim Überleben „unter die Arme zu greifen“. Das langfristige Ziel: Die gestärkte Art dort aussiedeln, wo sie zu Hause ist. Beim Drill wäre das der Regenwald von Westafrika, dort arbeite man dann mit der einheimischen Bevölkerung und der Politik zusammen.
Ein ambitionierter Plan mit vielen Schritten – klappt das? „Bei Primaten wie dem Drill braucht es Fingerspitzengefühl und Geduld“, erklärt Carsten Zehrer, Diplom-Biologe und Leiter der zoologischen Abteilung des Tierparks. Die Affen bräuchten bei allen Etappen ihrer Reise den Kontakt zu vertrauten Pflegern. „Aber was ist die Alternative?“, fragt Zehrer. „Nichts tun ist keine Option.“ Seit 25 Jahren laufe das Projekt, seitdem seien aus 15 Drills in europäischen Zoos mehr als 100 geworden.
Die Zucht des westafrikanischen Drills ist nur eines der laufenden Artenschutzprojekte des Tierparks. Steinböcke werden in den Alpen ausgesiedelt, verletzte Singvögel in Indonesien gepflegt, der Regenwald in Ecuador für den Klammeraffen geschützt – insgesamt engagiert sich der Tierpark in 14 Projekten weltweit. Dabei sei der Zoo auch auf Spenden angewiesen.
Trotz solcher Artenschutzprogramme ist es vor allem bei Tierschutzverbänden strittig, ob Tierparks noch zeitgemäß sind. Wie artgerecht kann man große Tiere wie Löwen, Elefanten oder Eisbären in kleinen Gehegen halten? Zoodirektor Baban betont, dass Hellabrunn nach dem Umbau im Jahr 1928 der erste Geozoo der Welt gewesen sei. Tiere würden dort „naturnah“ gehalten, nach Kontinenten geordnet. Im „Urwaldhaus“ wohnt zum Beispiel alles, was aus dem Dschungel kommt, in der „Polarwelt“ lebt die Robbe neben dem Königspinguin.
Trotzdem befinde man sich in einem „Lernprozess“, sagt Baban, wolle „Gas geben“, um noch nachhaltiger und tierfreundlicher zu werden. Und man müsse sich mit anderen Tierparks austauschen. Zum Schutz bedrohter Arten und zur Biodiversität jedenfalls müssten Zoos ihren Beitrag leisten. „Wenn es sie noch nicht gäbe, müssten Tierparks spätestens jetzt erfunden werden.“