Quälende Tiertransporte nach München:18 Katzen und elf Hunde an einem Tag

Lesezeit: 4 Min.

Der Käfig von Hope ist viel zu klein. (Foto: Tierheim)

Lydia Schübel vom Tierschutzverein München fordert eine härtere Gesetzgebung für den illegalen Kauf von Tieren aus dem Ausland. Im Tierheim Riem werden die unter schlimmsten Bedingungen transportierten Hunde und Katzen gepflegt.

Von Nicole Graner, Riem

Was muss das für ein Anblick gewesen sein, der sich Polizeibeamten geboten hat, als sie Mitte März dieses Jahres bei einer Stichprobenkontrolle in München die Türen dieses Transporters öffneten? Auf engstem Raum - zig Käfige. Darin Hunde und Katzen aus Bulgarien.

Mit großen Augen, verwirrt, müde, stark verwurmt und dehydriert müssen sie die Polizeibeamten angeschaut haben. Es muss gestunken haben, denn wohin sollten die Tiere ihr Geschäft machen auf ihrer 20-stündigen Fahrt? Wassernäpfe waren umgefallen und leer, die Käfigböden mit Kot und Urin verschmiert. Und wie hätte es sich Hope bequem machen können auf ihrer langen Reise? Die Hündin ist viel zu groß für den viel zu kleinen Käfig.

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Neun Hunde kamen am Samstag an, 18 Katzen und elf Hunde am Sonntag. Einige Tiere hatten keinen vorgeschriebenen Impfnachweis für die Einreise nach Deutschland. Andere hatten Papiere. Alle schon erwachsenen Tiere unterschiedlichster Rassen kamen für die weitere Abklärung ins Tierheim Riem. Auch habe das Veterinäramt München entschieden, die Tiere - einige mit Durchfall und blutigem Schnupfen - nicht an die Herkunftsorganisationen zurückzuführen. Das heißt, wie Kristina Berchtold vom Münchner Tierschutzheim erklärt, dass die Hunde und Katzen nicht an die Züchter oder Tierschutzorganisationen in Bulgarien zurückgegeben werden und sich das Tierheim um die Vermittlung kümmern wird.

Tatsächlich hatten die meisten Tiere aus den Transportern im Großraum München und in anderen Städten bereits Abnehmer. Einige Hunde und Katzen wurden sehnlichst erwartet. Über Facebook hätten sich auch Eigentümer, wie Berchtold erzählt, in Sorge erkundigt, wo sie denn blieben. Aber nach Riem fahren und schnell die Tiere holen - so einfach geht das nicht. Zunächst kommen sie in die Quarantäne-Station, werden medizinisch gecheckt. Dort bleiben sie etwa drei Wochen. Eine Tatsache, die, wie die 34-jährige Berchtold sagt, das Tierheim an den "Rand der Kapazitäten" gebracht hat. Dort leben noch immer viele der 38 Tiere aus den aufgebrachten Transportern.

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Manche Tiere aus illegalen Transporten müssen auch deutlich länger bleiben. Denn die Tollwutimpfung zum Beispiel kann frühestens von der zwölften Woche an erfolgen. Nach der Impfung wird 21 Tage gewartet, dann wird Blut abgenommen und geprüft, ob der Hund Antikörper entwickelt hat. Falls nicht, wird erneut geimpft. Und wieder gewartet. "Bei illegalen Hundetransporten zum Beispiel aus einem nicht gelisteten Drittland wie Serbien, in dem es noch Tollwut gibt, fehlen oft Papiere und die Tollwutimpfungen", sagt Lydia Schübel vom Tierschutzverein München. "Oder die Papiere sind gefälscht. Mit falschem Geburtsdatum und nie gemachten Impfungen."

Manchmal kommen dann gerade Welpen bis zu sieben Monate lang nicht zu ihrem Eigentümer. "In der für den Hund so wichtigen Sozialisierungsphase ist das ganz schlimm." Nicht gelistete Drittländer außerhalb der Europäischen Union haben erschwerte Einreisebestimmungen in die EU. Derzeit sind das, wie Schübel sagt, Ägypten, Serbien und die Türkei. Die meisten illegalen Transporte kämen im Moment aber aus Bulgarien, Ungarn und Rumänien.

So müssen die Tiere viele Stunden aushalten. (Foto: Tierheim)

Einige Hunde aus den Münchner Transportern sind bereits nach einem genauen Eignungscheck an die Eigentümer zurückgegeben worden. Zwar hatten die Käufer bereits Geld für die Tiere bezahlt, aber das Tierheim verlangt eine Schutzgebühr in Höhe von 200 bis 300 Euro. Genau prüfen die Betreuer in Riem, ob sich der Hund für das neue Herrchen oder Frauchen eignet. Sie nehmen sich Zeit für lange Gespräche, wägen ab, klären auf. In Corona-Zeiten lassen sie sich sogar bei einem Videocall die Wohnung und die Umgebung zeigen.

Für Hope, jene Hündin im viel zu kleinen Käfig, ist wie für manch anderen in der Riemer Quarantänestation im Moment noch keine Hoffnung in Sicht. Hope hat eine schwere Hautkrankheit. Das hätten die Vermittler in Bulgarien dem neuen Eigentümer übrigens verschwiegen, wie die 35-jährige Schübel sagt, die im Tierschutzheim München auch für die Inspektionen zuständig ist. Der habe nun sein Interesse am Hund zurückgezogen.

"Keinesfalls ist ein Parkplatz der richtige Übergabeort"

Vieles wird beim Kauf eines Hundes im Ausland verschwiegen. Manchmal bestellten Käufer im Internet Hunde, die sie dann nicht bekommen. Da gab es zum Beispiel einen Spitz, wie sich Kristina Berchtold an eine unfassbare Begebenheit erinnert. Weil es nicht der Hund war, den die Käuferin wollte, schickte sie ihn einfach in einem Karton mit einer Spedition zurück. Der Spitz landete im Riemer Tierheim.

Auch gibt es Tiere mit Angstaggressionen zum Beispiel oder anderen Traumata. Solche Tiere werden zu "Dauersitzern", wie die genannt werden, die keiner haben will. Solche Tiere brauchen eine gute Hand, eine erfahrene und eine geduldige. Es kostet viel Zeit, die gestressten Hundeseelen wieder zu heilen. Sehr viel Zeit.

Was Lydia Schübel aber besonders traurig macht an den Tiertransporten vom März ist die Tatsache, dass diese Tiere hauptsächlich von in Bulgarien ansässigen Tierschutzorganisationen oder Züchtern überführt worden sind. "Die müssten eigentlich wissen, wie es geht", sagt sie. "Das war aber nicht der Fall." Kristina Borchert fordert deshalb ganz klar eine Gesetzesänderung und härtere Strafen: "Illegaler Tierhandel ist eine Straftat, keine Ordnungswidrigkeit."

Und Lydia Schübel appelliert eindringlich: Wenn es Hunde aus dem Ausland sein müssen, dann gibt es viel zu beachten: Wie wird man beraten? Gibt es deutsche Vereinssitze in den Ländern, deutsche Berater? Wird eine Vorkontrolle durchgeführt, und wie laufen die Transporte genau ab, kann man sie nachverfolgen? "Keinesfalls ist ein Parkplatz der richtige Übergabeort", sagt Schübel. Im Zweifel gibt es nur eines: den Tierschutzverein München anrufen. Hier seien, so Schübel, die meisten Organisationen im Ausland bekannt. "Das wäre", sagt sie, "der richtige Weg." Ein Weg, um Hunden wie Hope quälende und nicht tiergerechte Reisen in Käfigen zu ersparen.

Tierschutzverein München, Riemer Straße 270, Telefon 921 000-0

© SZ vom 01.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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