Zugegeben, langsam geht es einem auf die Nerven, wenn wieder mal jemand sagt, die Krise habe durchaus Positives. Wobei sich vieles schon wieder erledigt hat. Redet noch jemand von Entschleunigung? Oder vom fehlenden Freizeitstress? Gut, die Schanigärten. Und die vielen Palmen neuerdings in der Stadt. Wäre beides aber wohl sowieso gekommen. Mit der neuen Verkehrspolitik braucht ja kein Mensch mehr Parkplätze, und der Klimawandel bringt halt auch eine andere Vegetation mit sich.
Eines aber war ein echter und ganz originärer Gewinn: die neue Freiheit für die Theresienwiese. Sonst kommt sie um diese Jahreszeit hinter Gitter, die Wiesn wird aufgebaut, erst die Bierzelte, dann die Fahrgeschäfte, schließlich die Souvenirstände. Wer nicht aufbaut, muss draußen bleiben. Heuer aber ist alles anders. Die Menschen radeln, laufen, skaten ungehemmt über die weite Fläche, legen sich ins Gras, turnen mit dem Sportamt oder hüpfen auf dem Trampolin.
Das Beste aber war "Kunst im Quadrat". Auf 50 mal 50 Metern fand 17 Tage lang kostenlos Programm statt, das man sich sonst in ganz München mühsam zusammensuchen muss. Malende Rapper gab es, jodelnde Frauen mit Blechtröten, musizierende Künstlerinnen. Geflüchtete erzählten am Bellevue-di-Monaco-Wochenende von ihrem Dasein in der Stadt und sorgten für Speis' und Trank. Der Stattpark Olga reparierte Fahrräder, DJs legten auf, Kunst- und Radiowerkstätten halfen beim Selbermachen. Und das alles umsonst, weil drei Bezirksausschüsse ihren auch nicht gerade üppigen Etat zusammenwarfen und alles erst ermöglichten.
Ein Hauch vom alten Theaterfestival und vom ganz, ganz frühen Tollwood wehte da über die Wiesn, und eigentlich war das fast genauso schön wie ein Oktoberfest, wenn nicht gar noch schöner. Vielleicht sollte man sich das bewahren, wenn irgendwann wieder Wiesn ist, sollte einfach ein Bierzelt weniger aufstellen und stattdessen 50 mal 50 Meter Kunst im Quadrat machen. Aber das traut man sich kaum hinzuschreiben. Womöglich lesen Wiesnwirte mit.