Astronomische Idee:"Nacht der Sterne" auf der Theresienwiese

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Weil das Oktoberfest dieses Jahr ausfällt, lässt sich die Theresienwiese für andere Projekte nutzen. Aktionskünstler Tommy Schmidt schlägt eine "Nacht der Sterne" vor, mit astronomischer Führung, Performances und Musik

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Was, wenn in diesem Herbst kein neonblinkender Lichtpuls aus Abertausenden Leuchtzellen in den Münchner Himmel zuckt, sondern der Spieß umgedreht wird: Von oben her leuchten die Sterne nach unten auf die Theresienwiese, und kein konkurrierender Schein hält sie davon ab? Weil alles ausgeknipst ist, der Spot auf Bavaria und St. Paul, die Laternen entlang der umliegenden Straßen und die Lampen in den Wohnstuben im weiten Rund um die ebene Fläche. "Ich bin nicht sentimental", sagt Tommy Schmidt, "aber da oben gibt es so einen Reichtum zu entdecken." Deshalb fügt Schmidt, der Aktionskünstler, zu den vielen bereits zirkulierenden Ideen, wie denn die Theresienwiese nach der Absage des Oktoberfests genutzt werden könne, noch seine hinzu: Eine "Nacht der Sterne", sei "leise, sauber und kostet fast nichts".

An einem wolkenfreien Abend, so das Konzept, soll zwei Stunden lang das öffentliche und auch private Licht um die Theresienwiese gelöscht werden. Benjamin Mirwald, Leiter der Bayerischen Volkssternwarte, erzählt Schmidt, werde das Projekt begleiten und dem Publikum, das sich zu der Stunde dann auf der Theresienwiese einfindet, Sterne und Planeten erklären. Tommy Schmidt konzentriert sich indes auf seine Kunst: Er veranstaltet Performances mit den Gästen, stellt choreografisch Sternbilder nach oder Umlaufbahnen von Planeten und Monden. Dazu singt ein Kammerchor eine Weise aus der Renaissance. Eine Komposition zur Entstehung des Sternbilds Großer Bär.

Im vergangenen halben Jahr hat sich Schmidt schon mit der Stadtverwaltung in Verbindung gesetzt, es gibt reichlich Formalkram, der für diese leise Kunst zu erledigen ist. Weit gekommen, gesteht der 59-Jährige, sei er noch nicht. Trotz reichlich Erfahrung mit öffentlichkeitswirksamen Projekten: Als Kommentar zum massenhaften Konsum industriell erzeugter Lebensmittel hat er einst zur Wiesnzeit ein Huhn in einem Hotelzimmer an der Theresienwiese einquartiert. Sein Beitrag zur Münchner Wohnungsnot: Vorübergehend zog er in ein vier Quadratmeter großes Gartenhäuschen am Königsplatz. Seinen neuesten Einfall stellt Schmidt jetzt reihum in den Anlieger-Bezirksausschüssen vor.

In der Schwanthalerhöhe machte er den Anfang. Bis auf eine Gegenstimme waren alle angetan. "So schlimm der Wiesn-Ausfall durch Corona ist", räsonierte Grünen-Fraktionssprecher Daniel Günthör, "so schön ist es, die Theresienwiese einmal anders zu nutzen." Er bezog dies auch auf andere Ideen, über die an diesem Abend beraten wurde. Unter dem Titel "Kunst im Quadrat" wollen Glockenbachwerkstatt, Kulturraum Kösķ und weitere soziokulturelle Institutionen der angrenzenden Viertel zwei Wochen lang lokalen Kunstschaffenden sowie sozialen und kulturellen Initiativen eine Plattform auf 0,7 Prozent der Flächen, das sind 2500 Quadratmeter, bieten. Konzerte, Performances, Workshops, Kinderaktionen. Damit, so argumentieren die Grünen im Bezirksausschuss, die den Vorstoß bereits in einen Antrag gegossen haben, solle gleichzeitig ein solidarischer Beitrag für kleine Kunstschaffende geleistet werden, die besonders von der Krise betroffen sind. Auch dieser Vorschlag findet im Gremium große Mehrheit.

Dem Dringlichkeitsantrag von Grüne/Rosa Liste vom Nachbar-Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt zur kreativen Nutzung der Theresienwiese wird dagegen erst mal nur in Teilen gefolgt, was etwa das Angebot an mobilen Sport- und Fitnessgeräten, Spielmöglichkeiten für Kinder und die Aufstellung zusätzlicher Bänke angeht. Abstand genommen wird von einer Begrünung mit Wildblumen südlich der Matthias-Pschorr-Straße, weil - so SPD-Fraktionssprecher Willy Mundigl - "man mit so einer Idee schon einmal den hochwertigen Magerrasen hier vernichtet hat". Abgeschmettert hat der Ausschuss bis auf die Fraktion von CSU/FDP den Vorstoß, ein Autokino auf die Fläche zu lassen. "Das ist letztlich ruhender Verkehr mit enormem Platzbedarf", kommentierte Ulrike Boesser (SPD), und damit, so Michael Schelle (Grüne), "schließt man auch automatisch alle aus, die kein Auto haben".

Mit der politischen Unterstützung gehen die gesammelten Vorschläge jetzt an die Verwaltung. Tommy Schmidt hofft damit auch auf einen Schub für sein Vorhaben. "Wär doch schön, den Leuten sagen zu können: ,Fahrt nicht auf die Zugspitze oder nach Tunesien, um die Sterne anzusehen, sondern bleibt in der Stadt und schaut nach oben'."

© SZ vom 19.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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