Süddeutsche Zeitung

Theater:München stehen drei Premieren an einem Wochenende bevor

Am Volkstheater kommt die Uraufführung "Alles ist aus, aber wir haben ja uns (Unterwasser)" heraus, die Kammerspiele zeigen "A scheene Leich" von und mit Gerhard Polt und den Well Brüdern, und das Residenztheater setzt auf den Klassiker "Antigone".

Von Yvonne Poppek

Das letzte Mal, als Bonn Park am Münchner Volkstheater inszenierte, kam sein Abend an einem unvergesslichen Premierenwochenende heraus. Seine Highschool-Oper "Gymnasium" gehörte zu den Eröffnungsproduktionen der neuen Spielstätte an der Tumblingerstraße. Wer sich in München für Theater interessiert, war irgendwie da. Nun arbeitet Bonn Park zum zweiten Mal an der Tumblingerstraße, und auch diesmal gehört seine Produktion zu einem starken Premierenwochenende.

Nur diesmal sind die Abende in der Stadt verstreut: Kammerspiele und Residenztheater bringen jeweils auch eine Premiere heraus. Alle drei zusammen werden viele Menschen in Bewegung setzen - und sie natürlich auch auf die Häuser verteilen.

Der erste Abend, der 27. Januar, gehört dabei allein dem Volkstheater und der Uraufführung von Bonn Park. Gemeinsam mit Komponist Ben Roessler hat er sich wieder für das Format eines Musicals entschieden, diesmal mit dem Titel "Alles ist aus, aber wir haben ja uns (Unterwasser)". Statt mit großer Besetzung arbeiten sie diesmal mit nur vier Musikern an Harfe, Synthesizer, Marimbaphon und Kontrabass zusammen. "Oktopus-Band" nennt Park sie, denn jeder von ihnen bediene zwei Arme eines Tintenfischs.

Schon allein dieses Detail verrät, dass Park wieder mit großem Bühnenbild arbeiten wird. In "Gymnasium" hatte er schon opulent bauen lassen, Highschool-Möblierung samt Vulkan im Hintergrund. Jetzt soll alles "noch viel mehr" sein, sagt er, eine Unterwasserwelt mit Versatzstücken einer untergegangenen Zivilisation. Denn genau um das geht es: um eine nahende Endzeit. Für den Regisseur spiegelt dies das derzeitige gesellschaftliche Empfinden wider, dieses "Gefühl, man wacht morgens auf und die Welt geht unter". Noch bis vor kurzem habe das Gegenteil dominiert, Wirtschaftswunderjahre, Frieden in Europa, wirtschaftliches Wachstum. "Das Gefühl, alles wird immer besser, ist noch nicht so lange her", sagt der 1987 in Berlin geborene Regisseur.

Was jetzt so düster klingt, will Park aber nicht düster auf die Bühne bringen. "Ich hatte Lust, etwas Heiteres zu machen", sagt er. Also nimmt er eine interessante Kombination vor: Er bedient sich einiger Elemente des Episodenfilms "Tatsächlich ... Liebe", einer Liebeskomödie aus dem Jahr 2003, in dem das Lebensgefühl, wie Park sagt, noch ein anderes war. Der Film, der jedes Jahr zur Weihnachtszeit ausgestrahlt wird, erzählt mehrere Liebesgeschichten parallel, unter anderem die des britischen Premierministers (Hugh Grant) mit seiner Hausangestellten (Martine McCutcheon). Auch in Parks "Alles ist aus" gibt es diese scheinbar unmögliche Liebe zwischen Premier und einer Kaiserin, angesiedelt in einer Unterwasserwelt mit Meerfrauen und Meermännern, die allesamt versuchen, den Untergang ihrer Zivilisation zu ignorieren. Das klingt alles - wie auch schon in "Gymnasium" - schön schräg.

Einen Tag nach der Volkstheater-Premiere machen sich die Kammerspiele und das Residenztheater gegenseitig Konkurrenz. Beide Spielstätten gehen am Samstag, 28. Januar, mit neuen Produktionen auf die große Bühne. Dabei ist der Kammerspiel-Abend jetzt schon ein Erfolg. Bis Ende Februar ist alles ausverkauft. Der naheliegende Grund: "A scheene Leich" ist von und mit Gerhard Polt und den Well Brüdern, das zog schon immer das Publikum in die Maximilianstraße.

Dabei geht es diesmal ums Sterben. Auslöser für die Geschichte sei der Skandal um das Seniorenheim in Schliersee gewesen, in dem massive Pflegemängel zutage traten, sagt Dramaturgin Viola Hasselberg. Allerdings sei die Geschichte, die nun auf die Bühne kommt, eine rein fiktive, getränkt von persönlichen Erlebnissen von Polt und den Well Brüdern auf dem Dorf. "Kraftspendend und zugleich alptraumhaft" sei dies, sagt Hasselberg. Im Zentrum stehe der Chef eines Bestattungsunternehmens, der verstirbt und nun beigesetzt werden muss. Was passiert nun mit dem Erbe des gut florierenden Geschäfts? Da hat jeder seine eigenen Interessen. Der Verstorbene hat es gut verstanden, "sehr geschmeidig" mit all jenen zu kooperieren, die mit dem Geschäft um den Tod zu tun haben. Es geht also um viel - und nicht immer um die Trauer.

Entstanden sei ein humorvoller, poetischer, musikalischer Abend, eine große Persiflage auf die Gesellschaft und ihre nicht vorhandene Trauerkultur, sagt die Dramaturgin. In verschiedenen Rollen stehen dabei neben Polt Stefan Merki und Maren Solty auf der sehr wandelbaren Bühne, dazu die Well Brüder und ein Laienchor. Anders als bei vorherigen Produktionen haben sich Polt und die Well Brüder diesmal mit dem Regisseur Ruedi Häusermann zusammengetan. "Sie wollten sich noch einmal neu herausfordern", sagt Hasselberg. Der Schweizer Häusermann hat Ökonomie und Musik studiert, ist Jazz-Musiker und wurde für seine musiktheatralischen Abende bereits ausgezeichnet.

Die Trauer muss umschlagen

"A scheene Leich" ist übrigens nicht mit einer schönen Leiche zu verwechseln. Gemeint ist hier ein gelungenes Begräbnis, es ist, wie Polt sagt, "was Lustiges, vielleicht gar ein Besäufnis, das muss umschlagen, wieder ins Leben. Die Trauer muss umschlagen in die Tatsache, dass wir weiterleben." Und noch etwas: Mit dem gleichnamigen Album "A scheene Leich", versichert Hasselberg, das Polt und die Well Brüder schon einmal veröffentlicht haben, hat dieser Abend nichts zu tun.

Thematisch und örtlich nicht so weit entfernt läuft parallel die Premiere am Residenztheater. Mateja Koležnik inszeniert "Antigone" von Sophokles und bindet dabei Slavoj Žižeks "Die drei Leben der Antigone" mit ein. Antigone stellt sich in dem antiken Drama dem Verbot entgegen, ihren Bruder zu beerdigen, woraufhin Machthaber Kreon sie zum Tode verurteilt. Wie ist dies nun zu deuten, ist Antigones Tat eine zutiefst den Werten verpflichtete, hat sie "Heiliges heilig gehalten" oder setzt sie sich schlichtweg über Gesetze hinweg, die auch für sie zu gelten haben?

Indem Regisseurin Koležnik Žižeks Text einbindet, ist die erste Deutung zumindest nicht die allein mögliche. Der reinen Antigone wird eine unheimliche an die Seite gestellt. Diese Überlegung sei in der Phase der Pandemie entstanden, in der die einen selbstverständlich Maske trugen und sich testeten, während andere sich verweigerten. Damals, so wird die Regisseurin im Programmheft zitiert, habe sie "viel über die Auswirkungen persönlicher Entscheidungen auf die Gemeinschaft und vor allem über soziale Verantwortung" nachgedacht. Dies fließt nun in ihre kräftig in die antike Vorlage eingreifende Inszenierung ein, in der Vassilissa Reznikoff die Titelrolle spielt und beispielsweise der Chor in Mitglieder eines Parlaments zerfällt.

Zusammengenommen ist dieses XL-Theaterwochenende eines, das sich in höchst unterschiedlicher, voraussichtlich spannender Weise mit Gesellschaft, Zusammenleben, Verantwortung, dem Ende auseinandersetzt und dabei Geschichten erzählt. Was will man mehr? Natürlich eines: Karten. Die gibt es in den meisten Fällen für die nachfolgenden Abende.

"Alles ist aus, aber wir haben ja uns (Unterwasser)", Uraufführung: Fr., 27. Jan., 19.30 Uhr, Münchner Volkstheater; "A scheene Leich", Uraufführung, Sa., 28. Jan., 20 Uhr, Kammerspiele; "Antigone", Premiere: Sa., 28. Jan., 19.30 Uhr, Residenztheater

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