Kunst während der Corona-Pandemie:Gnackwatschn statt Neuanfang

Lesezeit: 3 min

"Wir spielen vor allem, um die Künstler weiterhin zu unterstützen", sagt Norbert Kraft, Geschäftsführer vom Wirtshaus im Schlachthof. (Foto: privat)

80 Zuschauer darf Norbert Kraft aktuell in sein Theater im Schlachthof lassen. Rentabel ist das keineswegs, trotzdem bleibt die Bühne offen - warum macht der Veranstalter das?

Interview von Thomas Becker

Seit 2006 ist Norbert Kraft Geschäftsführer des traditionsreichen Theaters im Schlachthof, eine der wenigen Münchner Bühnen, auf denen derzeit noch gespielt wird. Im Interview spricht er über die verheerende Pandemie-Zeit, umsonst angeschaffte Trennwände, die Hoffnung auf einen besseren Gesundheitsminister und über die Arbeit als Familienunternehmen.

SZ: Herr Kraft, wenn man auf den Spielplan schaut, heißt es in den kommenden Tagen meist "entfällt" oder "verschoben". Ein paar Termine finden aber noch statt. Als eine der wenigen Münchner Bühnen halten Sie den Spielbetrieb trotz der Beschränkung auf maximal 25-prozentige Auslastung aufrecht. Warum?

Norbert Kraft: Wir spielen vor allem, um die Künstler weiterhin zu unterstützen. Die Devise heißt: Alles spielen, was derzeit erlaubt ist.

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Vor maximal wie vielen Zuschauern?

80. Das ist natürlich in keiner Weise auch nur ansatzweise deckend. Aber wir machen's. Weil nicht nur die Künstler, sondern auch die Gäste fragen. Die Leute wollen einfach wieder unterhalten werden.

Wie viele Termine können Sie denen in diesem Monat noch anbieten?

Geplant sind derzeit fünf. In der vergangenen Woche war noch der Han's Klaffl da, aber jetzt merken wir schon, dass der Kartenvorverkauf komplett stagniert. Es kommt gar nichts mehr rüber. Schwierig ist es zudem bei Veranstaltungen, für die wir zuvor schon mehr als die mittlerweile nur noch 80 erlaubten Tickets verkauft haben. Das Problem ist: Wen wollen wir reinlassen und wen nicht? Das geht nicht. Wir können die Leute ja nicht alle erreichen. Diese Termine kann man nur absagen.

Heißt, Sie haben endlich mal wieder 200 oder 300 Karten verkauft - und müssen die nun zurückzahlen, da nur 80 Gäste reindürfen.

Genau. Und dabei hätten wir die Einnahmen dringend nötig. Aber so bleibt uns nichts anderes übrig, als zu verschieben oder abzusagen.

Dabei hatten Bühnen und Künstler so sehr auf einen Neuanfang im Herbst gesetzt.

Wir hatten uns natürlich auch gefreut, dass es wieder losgeht. Die Ticketverkäufe gingen auch nach oben, die Nachfrage von den Gästen war da. Sie haben gesehen, dass wir alle Regeln einhalten und auch streng an der Tür sind. Aber dann kommt eben die nächste Welle.

Haben Sie bei der Infrastruktur im Saal auf die neuen Anforderungen reagieren können?

Vier Lüfter, die die Raumluft umwälzen und von Bakterien befreien, habe ich gekauft, dazu 50 Trennscheiben aus Plexiglas, damit jeder Haushalt separat sitzen kann. Irgendwann hieß es dann: nützt nichts, da dennoch nicht genug Abstand. Die stehen jetzt irgendwo herum. Die 10 000 Euro hätten wir auch auf die Straße legen können - das wäre besser gewesen.

Das Geld, das sowieso nicht da ist, auch noch umsonst ausgegeben. Wie gut greifen die Corona-Hilfsprogramme der Regierung?

Die Hilfen kommen immer wieder, dann wird wieder etwas zurückgerufen, die Regeln ändern sich sehr schnell, sodass man eigentlich ständig am Nachjustieren ist. Das ist alles schon sehr schwierig. Mein Partner Markus Kraft achtet darauf, dass wir da keine Fehler machen.

Ihr Sohn?

Und zugleich mein Partner, der die Geschäftsführung jetzt mit übernommen hat. Tochter Michaela macht derweil alles, was mit Geld, Büro und Rechnungen zu tun hat. Und meine Frau arbeitet bei der Organisation der Gastronomie mit. Wir haben ja vor Jahren entschieden, uns auf die Veranstaltungen zu konzentrieren, den Künstlern drei Bühnen mit 20, 90 beziehungsweise 350 Zuschauern zu bieten. Insofern sind wir kein klassisches Wirtshaus mehr. Aber wenn die Kultur nicht da ist, ist auch das Wirtshaus nicht da.

Immerhin schaut der Bayerische Rundfunk für die Aufzeichnung des TV-Kabarett-Klassikers "Schlachthof" noch ab und zu vorbei, oder?

Gott sei Dank, etwa zehn Mal im Jahr. Das ist dann schon immer ein Highlight für uns, wenn sonst so gar nichts zu tun ist.

Wie viele Angestellte haben Sie? Und wie viele mussten Sie in Kurzarbeit schicken?

Insgesamt sind wir zu elft, und wir haben beschlossen, niemanden auszustellen. Die bleiben alle da, ohne Wenn und Aber. Und wir haben auch nicht vor, jemanden in die Kurzarbeit zu schicken. Die müssen ja auch von etwas leben.

Was versprechen Sie sich vom neuen Gesundheitsminister?

Ich hoffe nur, dass er es besser macht als sein Vorgänger. Denn es kann nicht angehen, dass Menschenmassen vor Impfzentren stehen, sich impfen lassen wollen - und nicht drankommen, weil Impfstoff abbestellt wurde. Die Herren sollen ihren Job machen, so wie wir auch. Aber ich verstehe auch manche Menschen nicht, die zu uns kommen, keinen Impfausweis dabeihaben und dann verlangen: Ja, macht's halt mal eine Ausnahme! Nein, gibt's nicht!

Wie ist es nach diesen bald zwei so zehrenden Jahren Pandemie um Ihren Gemütszustand bestellt?

Am Anfang war es fast schlimmer, eine richtige Gnackwatschn. Als das alles losging, dachte man: Na ja, das ist jetzt eine Sache von sechs, sieben, acht Wochen, dann läuft es wieder normal. Das kam dann ja eher nicht so. Irgendwann war man das alles fast schon gewöhnt gewesen. Es gab so viele verschiedene Phasen. Geschäftlich ist alles nicht gerade rosa.

Was tun Sie gegen den Frust?

Am besten hilft es, sich einfach den Hund zu schnappen, in den Wald zu gehen und tief durchzuatmen. Dann schaut das Leben wieder schön aus.

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