Um 15.19 Uhr ließ Konstantin Landuris kurz die Motoren aufheulen, und als der Zeiger der Hallenuhr im Olympia-Eissportzentrum auf 15.20 Uhr sprang, gab er Gas. Die Turbinen auf seinen Schultern quiekten und pfiffen, dann zogen sie ihn hoch. Ein paar Sekunden und ein paar Zentimeter schwebte Landuris über dem Boden, getragen von seinem selbst entwickelten Fluganzug, dem Flying Suit. „Das war schon alles, was ich sehen wollte“, sagte er später: „Dass es funktioniert.“
Und wie es funktioniert! Zehn Minuten nach seinem Jungfernflug hob er noch einmal ab, diesmal rund einen Meter hoch, und dabei schaukelte er sogar fast so lange herum wie sein Vorbild, der Amerikaner William P. Suitor. Der war bei der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele 1984 in Los Angeles 16 Sekunden lang durchs Stadion geschwirrt, mit einem Gas-Antrieb im Rucksack. Wer das damals gesehen hat, erinnert sich daran.
Fliegende Menschen sind bis heute eine Seltenheit, doch Konstantin Landuris will das ändern: Ihm schwebt vor, seinen mit Hochleistungsbatterien betriebenen Fluganzug einmal zur Serienreife zu bringen, und das nicht nur, um damit „lustig durch die Gegend zu fliegen“, wie er es formuliert. Er hat sich Anwendungsoptionen ausgedacht, für Stadtwerke, Telefonanbieter, Rettungsdienste, Katastrophenhelfer. Die könnten mit so einem Anzug schneller an schwer zugängliche Stellen gelangen, müssten nicht erst Hebebühnen, Kräne oder Leitern heranschaffen.
An diesem Mittwoch schlüpfte Konstantin Landuris freilich noch zum Privatvergnügen in seinen Flying Suit, der aussieht wie der Overall von Autorennfahrern oder Piloten – und aus ebenso feuerfestem Material besteht. „Mir geht’s nur darum zu fliegen“, erklärte er: „Wenn ich das schaffe, ist mein Traum in Erfüllung gegangen.“
An diesem Traum hat er rund zwei Jahre in seiner Werkstatt am Schwabinger Tor gearbeitet, gelötet und gebohrt, entwickelt und probiert. Noch am Dienstagabend schraubte er an den Reglern, welche die acht Batterien mit den acht Motoren verbinden, die er auf einem Aluminiumgestell auf die Schultern schnallt. Um noch etwas mehr Leistung rauszuholen, noch mehr Umdrehungen zu erzeugen. Konstantin Landuris ist ein Multitalent: Designer, Architekt, Künstler, Tüftler und Bastler mit einem Abschluss als Diplom-Ingenieur an der Akademie der bildenden Künste.
Er hat so gut wie alles allein gemacht in diesen zwei Jahren, eine befreundete Schneiderin half ihm beim Nähen des Anzugs, eine Praktikantin stieß zuletzt auch noch dazu. Ansonsten war es hauptsächlich seine Familie, die den 44-Jährigen unterstützte. Sein Bruder und sein Cousin sicherten ihn am Mittwoch an Seilen ab. „Wenn ich ein größeres Team hätte, wäre das Ganze auf einem ganz anderen Niveau zu machen“, sagt Konstantin Landuris.
Fürs Erste war er schon froh, dass ihm die Olympiapark GmbH die ausrangierte Eishalle für seinen Testflug zur Verfügung stellte. Nach der geglückten Premiere hofft er auf weitere Unterstützung: Die Bundeswehr-Universität interessiert sich schon für sein Projekt.