Auf dem Webauftritt der Taverne Lucullus scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Unter „Aktuelles“ finden sich Öffnungszeiten und Reservierungshinweise, auf der Tageskarte stehen Fischsuppe und Auberginencreme. Nichts deutet darauf hin, dass die Kochtöpfe nicht mehr lange auf dem Herd brodeln werden – nach 37 Jahren schließt das griechische Lokal in Untergiesing-Harlaching seine Pforten.
Seit 1987 geöffnet, entwickelte sich das „Lucullus“ in der Nähe des Hans-Mielich-Platzes schnell zu einer Institution im Bezirk, deren guter Ruf auch über die Quartiersgrenzen hinweg bekannt war. Im rustikalen Ambiente saßen Anwohner auf Bierbänken zusammen, die Portionen galten als reichlich und schmackhaft, die fast unverschämt günstigen Preise trotzten jeglicher Inflation — noch heute findet sich nur wenige Gerichte über 15 Euro auf der Speisekarte.
Wer statt griechischem Wein lieber ein kühles Helles trank, bekam in der Taverne Paulaner ausgeschenkt. Ein Sprecher der Brauerei bestätigt, dass der Wirt ab dem 31. Oktober nicht mehr beliefert werde. Aus welchem Grund das Restaurant schließe, sei dem Konzern nicht bekannt. Auch der Wirt und Geschäftsführer Georgios Makris ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, das Telefon bimmelt mehrere Tage lang vergeblich, eine schriftliche Anfrage lässt er unbeantwortet. Im Hintergrund häufen sich indes die Gerüchte, dass das Gebäude saniert und renoviert werden solle, der Hausbesitzer habe dem Wirt daher gekündigt. Statt dem Geruch von Halloumi und gegrillter Paprika werden in Zukunft wohl Baugeräusche durch die Untergiesinger Nachbarschaft wehen.
In München geschehe es leider häufig, dass alteingesessene Gaststätten, Betriebe oder Mieter plötzlich Sanierungsmaßnahmen weichen müssten, berichtet Anais Schuster-Brandis: „Da die Mieten danach nicht mehr leistbar sind, kehren die wenigsten zurück“ Seit zweieinhalb Jahren sitzt die Harlachingerin für die Grünen im Bezirksausschuss, seit 2023 ist sie die Vorsitzende. Als „sehr, sehr schade“ bezeichnet Schuster-Brandis, dass das Lucullus schließen müsse – vor allem, weil die Taverne so ein lebendiger und beliebter Ort im Viertel gewesen sei. An fehlender Kundenschaft könne die Schließung nicht liegen.
Ein ähnliches Schicksal wie der Taverne Lucullus blüht einer weiteren Institution in Untergiesing. Die Bäckerei „Haralds Brotladen“ wird ab Ende November die Umgebung nicht mehr mit Brot und frischen Semmeln versorgen – nach 32 Jahren. Anders als bei der griechischen Taverne scheinen dort ökonomische Überlegungen ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen zu sein, der Verlust im Stadtbild ist hingegen derselbe.
Als repräsentativ für die Situation im Bezirk würde sie die Entwicklung jedoch nicht bezeichnen, sagt Schuster-Brandis in Bezug auf die Taverne Lucullus, dennoch habe sie bereits mehrmals mitbekommen, dass im Viertel Betriebe aufgrund von Generalsanierungen ihre Räumlichkeiten verloren haben. Als lokales Organ besitze der Bezirksausschuss zwar keine politische Hebelwirkung, im kleinen Maßstab könne das ehrenamtliche Gremium jedoch in der Tat etwas bewegen. Da der Bezirksausschuss ausschließlich aus Anwohnern bestehe, gebe es immer jemanden, der eine Idee, Hinweise oder Kontakte habe, die nachbarschaftliche Expertise sei enorm. „Wir sind Nachbarn für Nachbarn“, sagt die Vorsitzende, wer sich an den Ausschuss wende, könne stets mit Unterstützung rechnen.
So habe man in der Vergangenheit einem gekündigten Betrieb dabei helfen können, einen neuen Standort im Viertel zu finden. Falls sich die Taverne Lucullus bei ihnen melde, werde sich der Ausschuss ebenfalls um eine Lösung bemühen, bislang sei jedoch keine Anfrage bei ihnen eingegangen, so Schuster-Brandis. In diesem Fall würde sich die Suche auch schwieriger gestalten. „Eine Gastwirtschaft kann nicht so einfach verlegt werden“, sagt sie, „meistens ist sie stark mit einem bestimmten Ort verknüpft.“
Nach 37 Jahren wird in der Nähe des Hans-Mielich-Platzes weder griechischer Wein noch Bifteki vom Grill an den Bierbänken serviert werden. Noch bis zum 31. Oktober hat die Taverne Lucullus geöffnet. Auf der Webseite steht, dass man sich über einen Besuch freue.