Interview am Morgen: Tauben in der Stadt:"Leute, die füttern, sind die größten Tierschinder"

Lesezeit: 3 Min.

Stadtjäger Wolfgang Schreyer mit einem Falken auf der Panzerwiese. (Foto: Catherina Hess)

Münchens Stadtjäger Wolfgang Schreyer vertreibt mit seinen Raubvögeln Tauben. Warum es ein großes Problem ist, die Tiere zu füttern - und was wirklich gegen eine Taubenplage hilft.

Interview von Philipp Crone, München

Wolfgang Schreyer ist seit mehr als 35 Jahren Münchner Stadtjäger und sauer. Zumindest, wenn er die Worte Tauben und Füttern in einem Satz hört. Er ist auch noch Falkner und betreut Taubenhäuser in der Stadt. Das bedeutet, dass er gegen das Füttern von Tauben eigentlich nichts einzuwenden hat. Nur sollen die das einfach selbst machen. Was allerdings ganz offensichtlich dem Reflex vieler Bewohner Münchens klar widerspricht.

SZ: Herr Schreyer, wo liegt denn das Problem, wenn jemand Tauben füttert?

Wolfgang Schreyer: Taubenfütterer machen alles kaputt und meinen auch noch, dass sie alles richtig machen. Nehmen wir ein Taubenhaus. Wenn in dem Bereich Taubenfütterer unterwegs sind, kriegen wir die Tauben nicht ins Taubenhaus. Ich hatte bei einem neuen Taubenhaus sogar mal Plakate aufgehängt mit der Bitte, die Tauben nicht zu füttern. Die Plakate haben die dann runtergerissen und weitergefüttert. Die ganze Situation ist nicht mehr lustig.

Wie ist denn die Situation?

Es ärgert mich maßlos, dass hier Leute, die füttern, als Tierschützer hingestellt werden, und dabei sind das die größten Tierschinder, die herumlaufen.

Warum?

Weil sie die Tauben abhängig machen. Wir haben mittlerweile mehr als 100 000 Tauben in München und die Taubenfütterer hauen tonnenweise Futter raus. Das führt dann auch dazu, dass Firmen an ihren Gebäuden Hygieneprobleme bekommen durch die Tauben. Die müssen dann für teures Geld Vergrämungsmaßnahmen zahlen. Das ist ein Teufelskreislauf in München momentan, und in anderen Städten auch.

Sie meinen, dass die Tauben durch das Füttern vom Futter abhängig werden?

Genau, die suchen dann selber gar nicht mehr, sondern wissen jeden Morgen, wo sie hinfliegen müssen. Und da liegt das Futter dann kiloweise, nein zentnerweise. Weizen, Mais und sonst was.

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Normalerweise muss eine Taube erst einmal nach Futter suchen.

Eine Taube fliegt normalerweise sechs bis acht Stunden rum, um den Futterbedarf eines Tages zu finden. Wenn sie suchen muss, kann sie keine Eier legen, das ist ganz einfach. Wenn Taubenfütterer so füttern wie derzeit, ist die Taube in zehn Minuten pappsatt und macht sich an die Vermehrung. In meinem Taubenhaus habe ich bis zu acht Bruten im Jahr. Zum Teil bis weit in den Dezember. Man muss den Fütterern da mal ganz klar sagen, was die hier anstellen.

Das Füttern ist aber von den Fütterern ja gut gemeint.

Das hilft ja nichts, wie soll denn das Ganze weitergehen? Das hört sich jetzt vielleicht etwas brutal an, aber die Firmen sagen natürlich zum Teil: abfangen, wegschießen. Wenn die ein Hygieneproblem haben, kostet die das richtig Geld. Während Corona mit den ganzen Verdienstausfällen sollen die jetzt für 50 000 Euro Vernetzungen und Stacheln anbringen?

Taubenhäuser sind die Lösung?

Ja! Die werden Gott sei Dank mehr. Bei denen kann ich auch während der Brutsaison die Taubeneier entnehmen und durch Gipseier ersetzen. Damit verhindere ich, dass der Schwarm immer noch größer wird. Wir nehmen natürlich nicht alle Eier weg. Eine Taube legt zwei Eier, eines nehme ich ihr weg. Beim nächsten Mal nehme ich ihr beide weg, dann wieder nur eins und so weiter.

Die Taube wird nicht sterben, sondern sich nur weniger vermehren als bislang.

Genau. Dazu kommt, dass gerade auch noch kranke und schwache Tauben durchkommen durch das Futter, die es sonst nicht schaffen würden. Normal wäre, dass schwache Tiere sterben, wie bei den Krähen, Amseln, den Igeln. Das ist normal. Ich appelliere immer an die Vernunft, aber die Leute sind unbelehrbar. Ich kann dann auch so viele Taubenhäuser aufstellen, wie ich will. Warum soll die Taube denn da rein, wenn überall Futter rumliegt?

Täuscht der Eindruck, dass sich die Situation Mensch-Taube verschärft hat?

Absolut nicht. Es werden einfach immer mehr Tauben. Das ist die Folge dessen, wenn draußen gefüttert wird, wenn sich auch Schwäne, Gänse und Krähen nur noch auf den Menschen verlassen. Im Olympiapark, Kleinhesseloher See im Englischen Garten, sobald man hinkommt, kommen die Tiere scharenweise an. Dann kann man die Situation nicht mehr regulieren, in einem Taubenhaus kann man das.

Was sollte der Münchner machen?

Kein Tier füttern.

© SZ vom 30.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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