Tiere:Wie München die Zahl der Tauben eindämmen will

Tiere: Im Dachspeicher des Alten Rathauses haben Tauben nun ein neues Zuhause.

Im Dachspeicher des Alten Rathauses haben Tauben nun ein neues Zuhause.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Rund 50 000 Vögel leben in der Stadt - Tendenz steigend. Das verursacht viel Dreck. Statt die Tiere zu fangen oder mit Stacheln zu verscheuchen, setzt das Rathaus auf sanftere Methoden. Zum Beispiel auf Taubenhäuser.

Von Patrik Stäbler

Schräg gegenüber dem Stollen-Franze hat eine Mutter dem Gequengel ihres Sohns nachgegeben und am Stand von Feinkost Winter auf dem Christkindlmarkt am Marienplatz eine "Altbayerische Auszog'ne" gekauft. Der selig grinsende Bub rupft das Schmalzgebäck auseinander und steckt große Stücke davon in seinen Mund - während Brösel auf den Boden rieseln und liegen bleiben. Aber nicht lange. Denn im nächsten Moment flattert eine weißgraue Taube herbei, pickt nach einem Krümel und eilt davon - mit dem Leckerbissen im Schnabel.

Keine Frage, der Marienplatz ist nicht nur für Touristen ein Anziehungspunkt, sondern auch für Tauben - und das nicht bloß während des Christkindlmarkts. Denn wo Brezen, Bratwürste und Burger im Stehen und Gehen gegessen werden, fällt stets auch etwas für die Vögel ab. Zudem ist der Viktualienmarkt als Schlaraffenland nur einige Flügelschläge entfernt. Und dann gibt es auch noch Tierfreunde, die hier ungeachtet des Verbots regelmäßig Vogelfutter verteilen - etwa im Arkadengang des Alten Rathauses.

All das hat zu einer sichtbaren Vermehrung der Tauben in der Münchner Innenstadt geführt, inklusive der unschönen Begleiterscheinungen - vom Vogelkot bis zum Dauergurren. Um die Population der Tiere in den Griff zu bekommen, hat die Stadt nun nach jahrelanger Standortsuche ein Taubenhaus errichtet - und zwar im Dachspeicher des Alten Rathauses. In dem 18 Quadratmeter großen Verschlag sollen künftig 80 Vogelpaare ein Zuhause finden.

Dort werden sie zwar den Großteil ihres Kots hinterlassen. Dort werden aber auch ihre Eier gegen Attrappen ausgetauscht, um die Vermehrung der Tiere zu begrenzen. "Augsburger Modell" heißt dieses Konzept, dem auch München seit einigen Jahren folgt. Auf 50 000 wird die Zahl der Vögel hier geschätzt - Tendenz steigend.

"Tauben haben keine große Lobby, auch weil sie nicht so instagrammable sind wie Baby-Katzen", sagt die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) bei der Eröffnung des 23. Taubenhauses in München - dem ersten in der Altstadt. Dennoch handle es sich um Lebewesen, "mit denen wir als Stadt würdevoll umgehen wollen".

Früher wurden die Tiere gefangen und sogar getötet

Wurden die Tauben früher gefangen und mitunter sogar getötet, setzt man heute auf ein Drei-Säulen-Modell. Erstens ist das Füttern in der gesamten Stadt verboten; Verstöße werden mit Bußgeldern von anfangs zehn und bei wiederholten Vergehen von bis zu tausend Euro geahndet. Zweitens soll eine Informationskampagne helfen. Und drittens gibt es die Taubenhäuser, die allesamt von Ehrenamtlichen betreut werden.

Im Alten Rathaus ist der Verein "Einsatz für Tiere" dafür zuständig, das Vogelheim regelmäßig zu reinigen, Wasser und Futter nachzufüllen sowie die Eier einzusammeln. Im Taubenhaus auf der Großmarkthalle würden davon 500 Stück jährlich gegen Attrappen ausgetauscht, berichtet Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU). Und der stellvertretende Umweltreferent im Rathaus, Boris Schwartz, rechnet vor: "Eine Taube produziert zehn bis zwölf Kilo Nasskot im Jahr. Bei 50 Tauben in einem Taubenhaus ergibt das eine Tonne Kot im Jahr, die nicht auf Böden und Gebäuden landet." Der Erfolg bisheriger Vergrämungsmaßnahmen wie Netze, Gitter und Spikes ist überschaubar. Das Problem wird dadurch nicht gelöst, sondern meist nur verlagert.

Auch aus diesem Grund will die Stadt ein flächendeckendes Netz von Taubenhäusern aufbauen, wovon man aber noch weit entfernt ist. 2010 wurde das erste dieser Vogelheime auf dem Dach eines Hochhauses in der Studentenstadt errichtet. Ziel der Stadt sei es, so Schwartz, jährlich zwei neue Taubenhäuser zu bauen. Als problematisch erweise sich dabei oft die Standortsuche - auch, weil etliche Anwohnerinnen und Anwohner die Vögel in ihrer Nachbarschaft ablehnen. Dabei sei die Angst vor einer Gesundheitsgefährdung unbegründet, betont Doris Quinten, Tierärztin und Vorstandsmitglied von "Einsatz für Tiere". "Stadttauben übertragen keine Krankheiten auf den Menschen."

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