Tanzfestival:Sprünge zurück und nach vorn

Die Tanzwerkstatt Europa wird 30. Im Jubiläumsprogramm erinnert man an die Ursprünge und fragt danach, wie man nach dem Corona-Schock weitertanzen kann.

Von Sabine Leucht, München

Zwei News vorab: Die Live-Premiere von Moritz Ostruschnjaks "Yester:Now" wird zwar die letzte öffentliche Veranstaltung in der Philharmonie im Gasteig werden, aber die "Rock the house down"-Party fällt wohl aus. Und: Die Tanzwerkstatt Europa (TWE) rückt zu ihrem 30-jährigen Bestehen von ihrer Weigerung ab, sich als Festival zu bezeichnen. Denn was ihrem Gründer und Immer-noch-Leiter Walter Heun bislang dazu gefehlt hat, ist diesmal da: Etwas ganz Neues wagen und es diskursiv verorten. Die Verortung geschieht am 5. August mit einem "SymPodium", das in Form eines "künstlerisch-theoretischen Parcours" danach fragt, wie man nach dem Corona-Schock weitertanzen kann. Und ein Blick auf das Programm zeigt: Das Neue hat viel mit dem Alten zu tun.

Rui Horta und Micha Purucker wagen sich an ihre Werke von vor 30 Jahren

Heun taucht bei der Pressekonferenz ein wenig zu den ersten Ideen der Tanzwerkstatt ab, einem Veranstaltungshybrid, das Tanz-Profis wie -Amateure zu Workshops einlädt und zugleich präsentiert, was sich auf den Bühnen der Welt bewegt. Zehn Choreografen aus zehn Ländern wollte er damals in zehn Koproduktionen ein gemeinsames Thema beackern lassen. Aber da große Gedanken meist auf wesentlich kleinere öffentliche Geldsäckl treffen, wurden in der ersten TWE-Ausgabe vier Stücke rund um Mozart daraus. Weil Choreografieren auf Musik in der freien Szene der späten Achtziger gar nicht ging, fanden vier damals noch junge Choreografen vier interessante Lösungen. Rui Horta und Micha Purucker - 1991 noch recht am Anfang ihrer internationalen Karrieren - wagen sich nun, 30 Jahre später, erneut an ihre damaligen Werke. Sie kreieren "revisited versions mit anderer Energie und anderen Körpern", wie sie die stellvertretende Ballettdirektorin des koproduzierenden Gärtnerplatztheaters, Daniela Bendini, nennt. Mit einem neuen Stück von Thomas Hauert wird ein "Triple Bill" daraus, das das Kulturreferat finanziell unterstützt. Purucker spricht von einer "irre aufregenden Reise", die ihn wieder in eine Zeit zurückkatapultiert habe, in der die Seuche HIV hieß und es im Tanz ums Sich-Spüren und eine neue Kreatürlichkeit ging.

Und auch sonst greift die diesjährige TWE unter dem Motto "lines & signs" mit einem Arm in die eigene und die Tanzgeschichte zurück. Mit Jérôme Bels "Isadora Duncan" und Wim Vandekeybus' coronabedingt verschobenen "Traces" sind langjährige Weggefährten zu Gast. Mit der "Open Stage" und dem Tanzakademie-Camp "Solid Ground" stehen die Zeichen aber auch verstärkt auf Nachwuchsförderung. Irgendwo dazwischen bewegen sich Sheena McGrandles, Flora Détraz, Salma Salem und Synda Jebali mit ihren eingeladenen Arbeiten - und auch der Münchner Ostruschnjak, der für Heun heute da steht, wo Micha Purucker 1991 war: vor dem ganz großen internationalen Durchbruch. Und weil man ja auch als (Nicht-)Festival nur einmal 30 wird, dauert die Tanzwerkstatt mit einer Unmenge von Workshops diesmal eine Woche länger als sonst: nämlich vom 21. Juli bis 6. August.

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