Sie hat mehrere Stücke über Gefühle gemacht, in denen nie gelächelt wird. Und obwohl ihr Vorname „Kolibri“ bedeutet, ist sie alles andere als klein und niedlich. Als „Kraftpaket“ wird Zufit Simon gerne bezeichnet, auch schon mal als „Freiheitskämpferin“ – für ihr generelles Unbeeindrucktsein von tänzerischen Konventionen. Sie selbst nennt sich „eher schüchtern“ und „einen trockenen Menschen“. Gerade ist der 1980 in Petach Tikwa, östlich von Tel Aviv, geborenen, in München und Berlin lebenden Tänzerin und Choreografin der Tanzpreis der Bayerischen Landeshauptstadt zugesprochen worden.
Für ihre Arbeit von rund zwanzig Jahren, aber vor allem für ihre letzten Produktionen „Radical Cheerleading“ und „Bodies in Rebellion“, die das politische Potenzial des (weiblichen) Körpers untersuchen. Wie immer ist Zufit Simon dabei mit auf der Bühne. Wie immer ist ihr erstes Untersuchungsbesteck das Seziermesser, mit dem sie alltäglichen Bildern, Bewegungen, aber auch Worten und Tönen zuleibe rückt, deren Bestandteile sie anschließend neu zusammensetzt. Ihr Ziel: „Das Selbstverständliche in Frage zu stellen, Verwirrung zu kreieren – erst bei mir, dann beim Publikum.“

Simon hat Körper bereits erfolgreich in den Kampf mit Lautsprechern, Windmaschinen, philosophischen Texten und den Unwägbarkeiten von Schaum geschickt. In „Radical Cheerleading“, das 2023 für den Theaterpreis „Der Faust“ nominiert und zu vielen Festivals eingeladen war, glitzert es sogar ein wenig. Mehr Kolibrigefiederhaftes gab es nie in einem Stück der bekennenden Antitheatralikerin. Es verdankt sich den Pompons des Cheerleading, dessen sexistische Stereotype US-Feministinnen in den Neunzigern zur Protestform umformatierten. Mit weniger normierten Körpern und Frisuren, Slogans wie „power for the people“, gereckten Fäusten und geometrischer wie rhythmischer Akkuratesse erforschte Simon sie neu.
Gewohnt repetitiv, mit sich langsam steigernder Intensität und dem für sie typischen lauten Atmen, was sich alles auch in dem im Dezember 2024 in München uraufgeführten Nachfolgestück „Bodies in Rebellion“ wiederfindet: Einem wieder pureren Abend, der daherkommt wie ein abstrahiertes Glossar aller Äußerungs- und Erscheinungsformen des politischen Körpers, der aufsteht und marschiert, passiven Widerstand leistet, abgeführt oder gefoltert wird.
Eindeutige Botschaften geben Zufit Simons Arbeiten ihrem Publikum nicht mit. Ihre fortwährende feministische und politische Zuspitzung aber ist offensichtlich. Seit sie Mutter geworden ist, verriet sie 2022 vor der München-Premiere ihres Solos „Passable, not Presentable“ über die Feministin Shulamith Firestone (1945–2012), entsetze sie die Selbstverständlichkeit, mit der Männer über die Körper von Frauen entscheiden, noch mehr als zuvor.
Mit dieser intensiven „choreografischen Untersuchung einer zerstörten jüdischen Identität“ knüpfte sie aber auch an die eigene Geschichte an: Als Simon vor 25 Jahren nach Deutschland kam, um an der HfMDK Frankfurt zeitgenössischen Tanz zu studieren, betrat sie das Geburtsland ihrer Großeltern und das der Täter, vor denen diese in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina geflohen waren. Heute schaut sie mit großer Sorge in ihre alte Heimat, wo ihre Eltern und ihre Geschwister noch leben: „Das Land befindet sich in einer extremen Zerreißprobe und entwickelt sich in Richtung einer Diktatur.“ Frauen wurde es von Ultrareligiösen verboten, in der Öffentlichkeit zu singen, aber auch in Ländern wie den USA und in Polen werden Frauenrechte sukzessive beschnitten. Zufit Simons letzte Stücke reagieren darauf wie auf die Proteste dagegen - mit analytischer Schärfe und einem heilsamen trockenen Humor.